Essen.. An sechs Schulen kommen jetzt Mütter und Väter stundenweise mit in den Unterricht. Das neue Projekt “Familienunterricht“ soll allen Beteiligten helfen, Probleme in den Griff zu bekommen. Mit dabei ist auch ein „Familiencoach“ des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF). In NRW ist das Projekt einmalig.

An fünf Grundschulen und einer Förderschule in Essen gibt es jetzt „Familienklassen“. Das sind Klassen, die meistens aus sechs Schülern bestehen und einmal pro Woche zusammenkommen, einen ganzen Vormittag lang. Mit dabei sind die Eltern, die Lehrerin und ein „Familiencoach“ des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF): Der Verband hat das Projekt ins Leben gerufen, um verhaltensauffälligen Schülern somit den drohenden Gang an eine Förderschule zu ersparen. Außerdem sollen Eltern dazu ermuntert und angeleitet werden, sich selbst zu helfen und sich untereinander mehr auszutauschen.

„Vorbilder für dieses Projekt gibt es in Großbritannien, Dänemark und mehreren deutschen Bundesländern“, sagt Björn Enno Hermans, Geschäftsführer des SkF. „In NRW gibt es ein solches Projekt nach unserem Wissensstand nicht.“

Das Modellprojekt, das an den Schulen jetzt gestartet ist, soll zunächst bis zu den Sommerferien gehen. Über einen Fortgang wird dann entschieden. Mit weiteren weiterführenden Schulen steht der SkF in Gesprächen.

„Es entsteht bei den Eltern ein ganz neuer Blick auf die Schule“

Die ersten Erfahrungen ermuntern die Beteiligten bislang: „Es entsteht bei den Eltern ein ganz neuer Blick auf die Schule“, berichtet Erzieherin Alexandra Paul, die an der Grundschule an der Heinickestraße (Südviertel) gemeinsam mit einer Sozialarbeiterin des SkF fünf Kinder einmal wöchentlich in der „Familienklasse“ unterrichtet. Die Kinder bekommen für diesen Tag Arbeitsblätter ihrer Klassenlehrerinnen, und die Eltern sollen nicht nur ihre Kinder beobachten, sondern auch eingreifen und unterstützen: An der Astrid-Lindgren-Schule, die sich auch beteiligt, gibt es deshalb so genannte „Papa-Kellen“. „Die Kinder empfinden die Präsenz ihrer Eltern als große Wertschätzung“, berichtet Karin Führmann, die Leiterin der Lindgren-Schule. Während eines Familienklassen-Tages wechseln Unterrichts-Phasen mit Gesprächsrunden ab, mal alle zusammen, mal nur Kinder oder nur Eltern. Wichtig dabei: „Die Schüler definieren Lern- oder Verhaltensziele, und jede Woche wird geschaut, ob sie ihre Ziele umsetzen konnten“, berichtet Erzieherin Alexandra Paul. Ein typisches Verhaltensziel: „Ich höre zu, wenn ich eine Arbeits-Anweisung bekomme.“ Oder: „Ich konzentriere mich auf mein Arbeitsblatt.“

Kandidaten für das „Familienklassen“-Projekt sind Schüler, die Verhaltensauffälligkeiten an den Tag legen, und denen ein Gang von der regulären Schule an die Förderschule droht. Längst erprobt ist der Effekt der „Multifamilientherapie“, der hier zum Tragen kommt: Wenn Eltern erkennen, dass auch andere Familien ähnliche Probleme haben, hilft das, die Schwierigkeiten konstruktiv anzugehen.