Ein bisschen „Vorglühen“ daheim, dann weitertrinken bei Freunden, ein, zwei, drei Bier zur „Happy Hour“ in der Kneipe. Alkohol gilt noch immer als gesellschaftsfähige Droge, nicht selten wachsen Kinder in Familien auf, in er zum Alltag gehört. Doch getrunken wird auch zunehmend um die Wette. Wein aus Eimern, Bier, das sich Jugendliche mit Apparaturen aus Trichter und Schlauch in den Mund laufen lassen. Womit schnell die Grenze erreicht ist, bei der der Mensch nicht mehr geradeaus gehen kann.

„Es gibt Fälle, da wird anonym der Notarzt verständigt und die Freunde verschwinden, bevor wir kommen“, zurück bleibe ein Jugendlicher mit Alkoholvergiftung, der nicht mehr geh- und stehfähig und in seiner Auffassungsgabe stark eingeschränkt sei, wie ein Oberarzt des Alfried Krupp-Krankenhauses berichtet. Zahlen legte gestern die Krankenkasse DAK vor; zwar sei der Trend leicht rückläufig. Doch allein 2011 habe es um 133 Prozent mehr Jugendliche gegeben, die nach einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert worden seien.

Patienten schlafen ihren Rausch aus

Ein gefährliches Vergnügen. „Man pumpt heute niemandem mehr den Magen aus, wenn er nicht unmittelbar vorher etwas zu sich genommen hat, das vital bedrohlich ist“, so das Krupp-Krankenhaus. Mit Infusionen versorgt kommen die Patienten auf die Intensivstation, werden überwacht, während sie ihren Rausch ausschlafen. Das Gros der Essener Fälle wird in die Kinderklinik des Elisabeth-Krankenhauses gebracht, die auf die Versorgung eingerichtet ist.

Kein schöner Anblick, wie der dortige Kinderneurologe Dr. Claudio Finetti erklärt. Die Patienten übergeben sich, nässen sich ein während sie ausnüchtern. „Wir stellen fest, dass es deutlich mehr Jugendliche werden, die sich extrem stark betrinken und mit Blutwerten von 1,9 und auch 2,3 Promille eingeliefert werden“, sagt Finetti. „Auch werden die Patienten, die bei uns eingeliefert werden, immer jünger und die Zahl der Mädchen steigt. Es sind längst nicht mehr nur Jugendliche, die bei der Abi-Feier ein Glas über den Durst trinken und hier landen. Die Probleme werden komplexer. Wir sehen hier junge Patienten, die zusätzlich zum Alkohol andere Drogen konsumieren oder Verhaltensauffälligkeiten zeigen“, so Finetti weiter. „Fälle, bei denen sich Jugendliche regelrecht ins Koma saufen, haben wir allerdings selten. Bei vielen Jugendlichen ist es sicherlich Neugier. Sie trinken über den Durst, können die Wirkung nicht abschätzen, landen dann bei uns.“

Ebenso steigt die Zahl der Jugendlichen, die zur Alkohol-Entgiftung in die Psychiatrie des Huyssensstift eingeliefert werden, wie Björn Kasper, Sprecher der Kliniken Essen-Mitte, erklärt.