Essen. Beim traditionellen Fischessen der Arbeiterwohlfahrt in Essen wirbt die Gastrednerin für die vollständige Teilhabe von Menschen mit Handicap. Die Direktorin des Landschaftsverbandes Rheinland, Ulrike Lubek, sichert aber auch zu, bestehende Angebote für Behinderte nicht vorschnell aufzugeben.
Fisch gibt es auch und das nun schon zum 48. Mal – es geht also in Ordnung, wenn die Arbeiterwohlfahrt (Awo) von ihrem „traditionellen Fischessen“ spricht. Tatsächlich versammeln sich an diesem Mittwoch im Friedrich-Ebert-Seniorenzentrum in Altenessen alljene, die bei der Stadt, in der Wirtschaft oder in Wohlfahrtsverbänden mit sozialen Themen in Berührung kommen: vom Amtsarzt über den Kinderschutzbund bis zur Schuldnerhilfe.
Vom „sozialpolitischen Aschermittwoch“ spricht Oberbürgermeister Reinhard Paß, der in seinem Grußwort die Arbeit der 1300 Awo-Beschäftigten und ihrer 1500 Ehrenamtlichen würdigt und die Arbeiterwohlfahrt als starken Partner der sozialen Großstadt Essen lobt. Gerade beim Ausbau der Kinderbetreuung sei dieser große Träger für Essen unverzichtbar: Bis August stockt die Awo die Zahl ihrer Kita-Plätze in der Stadt auf 1200 auf.
Und wo der OB so für den Gastgeber wirbt, nutzt die Hauptrednerin die Gelegenheit zur Eigenwerbung: Ulrike Lubek ist Direktorin des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) und spricht über die Stadt als Sozialraum für alle. Der LVR gestalte diesen Sozialraum so mit, dass er jedem Teilhabe ermögliche, auch Behinderten und psychisch Kranken. Sie sind die klassische Klientel der LVR-Einrichtungen, doch wie die Angebote an sie aussehen, unterliege derzeit einem rasanten Wandel: Seit Inkrafttreten der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung im Jahr 2009 laute das Ziel Inklusion, volle Teilhabe. Vor Ort zeige sich das an Leuchtturm-Projekten wie dem Hotel Franz in Huttrop, das Behinderten Regelarbeitsplätze biete, ebenso wie an der Umwandlung von Heimplätzen in betreutes Wohnen. „Machen wir aus unserem Veedel ein inklusives Veedel“, sagt Lubek in Anspielung auf ein Bläck-Fööss-Lied.
Die LVR-Direktorin weiß aber auch, dass Inklusion für manchen Betroffenen (noch) nicht nach Verheißung klingt, sondern nach Drohung. Darum betont sie, dass man um die wichtige Arbeit an Förderschulen wie dem Rheinisch-Westfälischen Berufskolleg für Hörgeschädigte in Essen wisse: „Wir werden höchst aufmerksam darauf achten, dass die Förderqualitäten an unseren Schulen nicht vorschnell zugunsten eines noch nicht ausgereiften – wenn auch in Zukunft besseren – Schulsystems aufgegeben werden.“ Das garantiere sie Schülern, Eltern und Lehrern, die durch die aktuelle Debatte verunsichert seien.