Essens schrägste Kostümparty stieg in diesem Jahr in Werden: Knapp 270 Besucher stellten bei der 20. Mau-Mau-Nacht des Charity-Vereins Solisa Freundeskreis die restlos ausverkauften Domstuben buchstäblich auf den Kopf.

Karnevalssamstag, kurz vor 19.30 Uhr, das Stimmungsbarometer liegt noch bei einer gelassenen „Vier“ von „Zehn“: Die Dame im Zebrakostüm hinter mir nippt an ihrem Bier, prostet noch einmal der grün geschminkten Meerjungfrau an ihrer Seite zu. Im Nummern-Girl-Outfit wirft Thomas „Doc“ Ophelders das „Tuba-Libre“ Brass-Orchester auf der Bühne an, und der Mann im roten Reitersakko zu meiner rechten freut sich: „Gleich die Post ab!“

20.30 Uhr: Die Blechbläser haben sich durch ihre Evergreens geknattert. Das geplante Stück zum Mitsingen, Texte auf dem Tisch, klappt noch nicht so richtig. Mehr als ein „la la la“ ist aus der Meute nicht herauszubringen. Dafür räumt der Pippi-Langstrumpf-Lied richtig ab. Meerjungfrau und Zebradame singen sich langsam warm. Das Barometer steigt auf eine gute „Sechs“.

21 Uhr: Der „Vorstand“ Günther Burghardt – 82 Jahre jung und wahrscheinlich der einzige richtige Karnevalist im Saal – hat sich durch sein Repertoire von Brandt bis Ulbricht genuschelt, den Hitler lässt er diesmal weg, und kommt zum absoluten Klassiker der Nacht: Er imitiert seinen „Auerhahn“ und zeigt bei seiner „Hespertalbahn“ echte Beat-Boxer -Qualitäten. Die Stimmung klettert auf die „Sieben“.

21.20 Uhr: Die Band „Der Vorstand“ hat die ersten Nummern hinter sich und bringt mit „Essen an der Ruhr“ die Kostümierten zum ersten Mal zum Kochen. Die Struktur löst sich langsam auf. Die beiden Damen im Rücken haben sich nicht nur warm geklatscht, sondern auch warm getrunken, schrotten die Bierzeltgarnitur, auf die sie sich mit einem halben Dutzend der Begleiter gestellt haben. „Richtiger Karneval ist langweilig, hier musst Du als Zuschauer alles geben“, brüllt mir mein Nachbar ins Ohr.

21.40 Uhr: Schlagergott René Pascal entert die Bühne und die Kostümierten flippen aus. Gesessen wird nicht mehr. Die erste Polonaise schlängelt sich durch die Reihen. „Hier ist Karneval anders, hier geht’s nur ums Mitfeiern, nicht ums Anmachen“, ruft mir die Zebra-Dame zu. Mein Nachbar im roten Sakko stellt sich mir als Norbert vor. Wir nähern uns dem Höhepunkt.

22.30 Uhr: Bei den drei „Dollhouse-Sisters“ geht im Saal alles drunter und drüber. Feste Sitzordnungen gibt es kaum mehr. Die Polonaise hat sich vervierfacht, muss sich an den vielen Tänzern vorbei quetschen. Ich trage mittlerweile die Zebra-Ohren meiner Nachbarin und treffe im Gewusel vor der Bühne Norbert wieder: „Ist doch wohl geil, oder?“, sagt er. Die „Zehn“ ist erreicht. Zu Ende ist die Party noch lange nicht.