Essen. Vor 100 Jahren legte der Schuster Heinrich Deichmann den Grundstein für Europas größtes Schuhhandels-Unternehmen. Alles begann in Borbeck in der Johannes-Brokamp-Straße. Und - Schuster, bleib bei deinen Leisten - noch heute hat der Schuh-Riese seinen Hauptsitz in Borbeck.

1913. Henry Ford führte in seinen Werken die Fließbandarbeit ein. Das erste Kreuzworträtsel der Welt erschien. Prada eröffnete in Mailand die erste Boutique. Und die Kunst schwang sich zu ihrer schöpferischsten Phase der jungen Moderne auf, was Florian Illies in seinem Buch „1913“ nachzeichnet. 1913, es war auch das Jahr am Vorabend des Ersten Weltkrieges, an den damals keiner so recht glaubte.

In diesem Jahr, vor 100 Jahren, fasste der junge Schuhmacher Heinrich Deichmann mit 25 Jahren den wegweisenden Entschluss und eröffnete in Borbeck sein erstes Geschäft. Das genaue Datum weiß heute selbst bei Deichmann niemand mehr. 100 Jahre später sollte aus dem Schuhmachergeschäft in Borbeck Europas größter Schuhhändler mit rund 3200 Filialen und 33000 Mitarbeitern geworden sein.

Die Wurzeln liegen in Borbeck

Der erste Laden befand sich in der heutigen Johannes-Brokamp-Straße. Die Wurzeln des Schuhimperiums liegen also streng genommen nicht in Essen, denn Borbeck wurde erst zwei Jahre später eingemeindet. Deichmanns Kunden waren schon damals die weniger Betuchten - vor allem Bergleute, deren Schuhe schnell verschlissen. Deichmann erkannte: Wenn er sich moderne Maschinen kauft, kann er schneller und preiswerter als die Konkurrenz die Schuhe der Bergleute flicken.

Doch mit der Reparatur gab sich der geschäftstüchtige Mann nicht zufrieden. Er kaufte schon bald preiswerte, fabrikgefertigte Schuhe auf, um sie seinen Kunden weiter zu veräußern. Es war der Beginn des Schuhhandels, der das Borbecker Familienunternehmen später groß machen sollte.

In den 20ern und 30ern wuchs die Firma

Auch Deichmanns Frau Julie half im Laden mit. Sie und Heinrich hatten bereits vier Töchter, bis am 26. September 1926 der Sohn und spätere Nachfolger Heinz-Horst geboren wurde. In den 20ern und 30ern wuchs die Firma. 1936 eröffnete Deichmann eine Filiale direkt am Borbecker Markt - beste Lage. Heinrich Deichmann jedoch erlebte diesen Aufschwung nicht mehr lange. Er starb 1940 im Alter von 52 Jahren. Heinz-Horst war damals noch im Teenager-Alter.

Das Geschäft führte Mutter Julie weiter, ihr Sohn wuchs nach und nach ins Unternehmen hinein, holte nach dem Krieg nebenbei das Abi nach und studierte Theologie und Medizin. Diese Zeit Ende der 40er Jahre ist prägend für Deichmann, privat wie geschäftlich. Erstmals eröffnet er eine Filiale außerhalb Essens - in Düsseldorf an der Ackerstraße. Und der junge Deichmann findet mit Ruth aus Neviges die große Liebe seines Lebens, die er 1950 heiratet. 1956 gibt er seinen Beruf als Arzt ganz auf und widmet sich ausschließlich dem Schuhhandel.

In 22 europäischen Ländern vertreten

In den Nachkriegsjahren geht es steil aufwärts. Zum 50. Geburtstag 1963 hat die Firma schon 16 Geschäfte an Rhein und Ruhr. Das Unternehmen wird dabei immer internationaler. Heute ist Deichmann in 22 europäischen Ländern und den USA vertreten. Geführt wird es seit 1999 in der dritten Generation von Heinrich Deichmann. Der mittlerweile 86-jährige Heinz-Horst Deichmann ist noch als stellvertretender Vorsitzender im Verwaltungsrat aktiv.

Noch immer aber ist Borbeck Sitz des Unternehmens. Und auch das Erfolgsrezept ist von Anfang an das gleiche: preiswerte Schuhe.