Es war keine Liebe auf den ersten Blick. „Wir haben viel zusammen getanzt und viel gestritten“, erzählt Denis Untila. „Er kam von einer klassischen Schule, ich von einer modernen“, erklärt Michelle Yamamoto lachend. „Und er war mir zu jung.“ Sie lernten sich 2001 kennen, als Mario Schröder in Kiel eine neue Compagnie formierte. Ein Jahr später waren die beiden ein Paar. Vier Jahre später kamen sie nach Essen in der Hoffnung auf neue Herausforderungen. Sie wurden nicht enttäuscht. Ballettdirektor Ben Van Cauwenbergh bot ihnen die Möglichkeit, ihr choreografisches Talent zu erproben. Mit Erfolg. Nun können sie am Aalto-Theater ihre Sicht auf „Othello“ zeigen.

Shakespeares über 400 Jahre alte Tragödie erschien ihnen zunächst zu schwierig, zu düster, zu berühmt. Schon John Neumeier, Tatjana Gsovsky oder José Limon hatten sich von dem Stoff inspirieren lassen. Schließlich war der Reiz doch zu groß. Ein zeitloses Ballett entstand, das sich auf die menschlichen Abgründe konzentriert. „Bei uns geht es nicht um Krieg. Auch Rassismus ist kein Thema. Wir beschränken uns auf Eifersucht, Neid und Intrige“, sagt Michelle Yamamoto.

Für ihren „Othello“ hat Dmitrij Simkin eine Bühne geschaffen mit venezianischer Brücke und Wasser, mit sich verengenden Wänden und Licht­-
einsätzen, die viel Raum für große Emotionen lässt und innere Zustände unterstreicht. Das Ensemble ist mal Gesellschaft, mal Verstärker für Wesenszüge der Charaktere oder das Ohrgift, das Jago mit einer Geräuschkulisse aus Worten Othello in den Kopf setzt. Dann nimmt das Verhängnis seinen Lauf in der Geschichte, die mit der Musik von Ólafur Arnalds, Max Richter und Mikis Theodorakis erzählt wird.

Nur vier zentrale Figuren gibt es in dieser Choreografie, verkörpert von Mitgliedern der Compagnie, „die Erfahrung im modernen Tanz haben“, so Denis Untila. Armen Hakobyan ist der stolze wie edle Othello: „Er kann die Liebe zu Desdemona tanzen und die Wut auf sie“, meint Michelle Yamamoto. Yulia Tsoi ist die Frau an seiner Seite. Zwischen ihnen Simon Schilgen als Cassio, der sich für die Intrige von Jago ausnutzen lässt. Breno Bittencourt habe diese, wohl schwierigste Rolle: „Er muss zwei Gesichter abwechselnd zeigen, das freundliche und das hässliche.“

Nicht einen Moment haben sich die beiden gewünscht, die Hauptrollen selbst zu tanzen. Zu hoch ist ihr Anspruch. „Es ist noch schöner zu sehen, was wir erschaffen haben“, sagen die Choreografen und schwärmen vor allem von dem Todes-Pas de deux. „Was die Tänzer daraus gemacht haben, berührt uns.“ Ebenso wie die tägliche Frage der zweijährigen Tochter, die ihre Eltern in der Probenzeit vermisst: „Ist morgen die Premiere?“ Am Samstag hat das Warten ein Ende.