Es gibt im heutigen Konzertbetrieb nicht allzu viele Gelegenheiten für zeitgenössische Komponisten, sich im Programm zwischen Debussy und Schubert wiederzufinden. Boris Gurevich gelingt dieses Kunststück bereits zum zweiten Mal. Nachdem sein Orchesterwerk „Monodia“ 2005 in der Philharmonie zu hören war, steht heute die Uraufführung von „Anima“ an. Der russisch-stämmige Komponist ist enorm glücklich. „Wenn Stefan Soltesz die Partitur einstudiert, macht er das mit dem selben Respekt wie bei Schubert“.
Auf Erfolgserlebnisse wie diese muss auch ein versierter Bühnenmusiker lange hinarbeiten. „Manche Ideen gehen mir seit Jahren durch den Kopf. Aber ich brauche eine besondere Inspiration.“ Und wie viele Kollegen kann auch Gurevich nicht vom Komponieren leben. Seit 2000 ist er als Pianist am Aalto-Theater. Der eingespielte Umgang mit den Kollegen macht die Arbeit leichter, ist aber auch Herausforderung: Orchestermusiker seien auch „große Skeptiker, das verhehlen sie nicht“.
Die Zustimmung muss bislang da gewesen sein, zumal mit Sebastian Bürger ein Solist der Philharmoniker den Solopart übernimmt. Mit „Anima“ hat Gurevich diesmal ein Konzert für Bratsche geschrieben. Der Klang, sagt Gurevich, gebe ihm die Möglichkeit, auch etwas von seiner Persönlichkeit auszudrücken. Es geht um Ehrlichkeit, Verwundbarkeit. Die Bratsche, sagt Gurevich, sei kein Instrument der großen Extreme und Effekte. Und Anima, das ist das Leben, Atem und Seele. Vielleicht wird dem Werk nach den Philharmonikern irgendwann ein zweites Orchester Leben einhauchen. Bis dahin wird Gurevich weiter komponieren, große Orchesterwerke wie Kammermusik. Ein Komponist braucht langen Atem.