Mit einem für viele überraschenden, weil sensationell deutlichen Ergebnis ist der Bürgerentscheid um die Von-Einem- und die Von-Seeckt-Straße in Rüttenscheid zugunsten der Initiatoren zu Ende gegangen. Im Ergebnis heißt dies: Die im Frühjahr vergangenen Jahres mit einer rot-rot-grünen Mehrheit in der Bezirksvertretung beschlossene Umbenennung der Von-Einem- und Von-Seeckt-Straße in die vor 1937 gebräuchlichen Namen Irmgard- und Ortrudstraße wird nicht vollzogen.
Die Initiatoren dieses ersten erfolgreichen Bürgerentscheids in der Stadt feierten das Ergebnis gestern als Triumph über den „Versuch, uns eine ideologisch befrachtete Sicht der deutschen Geschichte aufzuzwingen.“ Zugleich bedankte sich die Anwohner-Initiative „PROVON“ bei CDU, FDP, Essener Bürger Bündnis und Piraten, die sich für die Beibehaltung der alten Namen stark gemacht hatten.
Katzenjammer herrschte dagegen beim Netzwerk „Irmgard und Ortrud“, das die Rückbenennung der beiden Rüttenscheider Straßen mit dem Hinweis begründet hatte, mit den einstigen preußischen Generälen Karl von Einem und Hans von Seeckt auf dem Straßenschild ehre man Wegbereiter des Nationalsozialismus und Adolf Hitlers. „Ich bin enttäuscht“, sagte nach verlorener Abstimmung der Sprecher des Netzwerkes und Anwohner Ulrich Janßen: „Wir haben mobilisiert, so gut wir konnten.“ Sozialdemokraten, Grüne und Linke hatten gleich eine ganze Reihe von Mandatsträgern aus Bund und Land aufgeboten, um die Abstimmung im Sinne der Umbenennung zu entscheiden.
Doch ausgerechnet das als eine Art Coup gedachte Plakat mit dem Konterfei Adolf Hitlers und dem Von-Seeckt-Ausspruch „In den Zielen waren wir uns einig...“ erwies sich im Wahlkampf als Rohrkrepierer: Dagmar Rode, eine der beiden Vertretungsberechtigten des Bürgerentscheids jedenfalls, will danach zusätzlichen Schub für das eigene Anliegen registriert haben: Protest, so vermutet sie, gegen „den unanständigen Versuch, die Bürgerinitiative in die Nähe von Nationalsozialisten gebracht zu haben.“
Während der Fraktionschef der Linken im Rat, Hans Peter Leymann-Kurtz, das Ergebnis als „Katastrophe“ bezeichnete, als „peinliches Signal“ weit über den Stadtbezirk und Essen hinaus, freute sich CDU-Fraktionschef Thomas Kufen über einen „eindeutigen Bürgerwillen“, der als Quittung für Rot-Rot-Grün zu verstehen sei: Mehrfach hätten sie „die Chance gehabt, den eigenen Kurs zu korrigieren, das haben sie nicht getan“. Ihm zeige das Ergebnis aber auch, dass die Bürger beteiligt werden wollten. Auswirkungen auf die Stadtpolitik sieht Kufen, der mit den Umbenennungs-Befürwortern auf grüner Seite schließlich ein Viererbündnis im Rat pflegt, nicht. Wohl aber erneuert er seine Kritik an OB Reinhard Paß: Dass dieser sich „bei einer so wichtigen Frage nicht klar positioniert hat, finde ich lausig“.
Derweil staunte man im städtischen Wahlamt nicht schlecht über eine Abstimmungsbeteiligung von 30 Prozent, über die mancher Stadtteil selbst zur Kommunalwahl nicht hinaus kommt: „Offenbar haben die Initiatoren einen Nerv getroffen“, sagte gestern Rüdiger Lohse vom Wahlamt, der bereits eine Dreiviertelstunde nach Beginn der Auszählung das vorläufige Endergebnis veröffentlichen konnte.