Vor einem halben Jahr warb ich an dieser Stelle dafür, der von-Seeckt und der von-Einem-Straße in Rüttenscheid ihre ursprünglichen Namen Ortrud und Irmgard zurückzugeben. Seither habe ich von den Gegnern dieses Plans nicht ein inhaltliches Argument gehört, was gegen die Umbenennung spricht.

Kommentarfoto Christina Wandt
Kommentarfoto Christina Wandt

Stetig wiederholt wurde dagegen, dass man sich von der Politik übergangen fühle und mit erheblichem Aufwand und Kosten für die Anwohner rechne. Diese Anwohner haben seither die Initiative ProVon gegründet, Woche für Woche Unterschriften gesammelt und den Bürgerentscheid durchgesetzt. Chapeau!

Angesichts dieses bemerkenswerten bürgerschaftlichen Engagements scheint es fast putzig, dass sich dieselben Leute nicht zutrauten, ihre Papiere umschreiben zu lassen. So viel zum unzumutbaren Aufwand. Nun zum Argument des ignorierten Bürgerwillens: Was die Bezirksvertretung im Mai 2012 beschloss, nennt man repräsentative Demokratie. Und anders als von ProVon behauptet, hatten sich immer wieder Essener an den Namen der Generäle von Seeckt und von Einem gestoßen: Den ersten Rückbenennungsversuch gab es 1947, und mit der Aufstellung des Gedenksteins vor einigen Jahren war die Debatte noch nicht verstummt.

Die Generäle waren vielleicht keine Nazis, überzeugte Antidemokraten waren sie schon. Im Falle von Seeckts spricht Stadtarchivar Klaus Wisotzky von einem der Totengräber der Weimarer Republik. Die ProVon-Aktiven haben also recht, wenn sie sagen, die geplante Rückbenennung der Straßen sei dem Zeitgeist geschuldet – dem des 21. Jahrhunderts. So wie die Benennung nach von Seeckt und von Einem 1937 dem braunen Zeitgeist geschuldet war. Diese historische Wunde endlich zu heilen, sind die Freunde von Ortrud und Irmgard angetreten.

Man kann ja verstehen, wenn Anwohner nicht auf ihre Adresse verzichten mögen – bloß gehören die Straßen nicht ihnen, sondern der Stadtgesellschaft. In deren Sinne meinte die Bezirksvertretung entschieden zu haben. Der enorme Widerstand zeigt, dass sie sich geirrt haben könnte, also folgert ProVon: Wir haben 5500 Unterschriften – zieht Euren Entschluss zurück. Gar so simpel aber ist die Sache nicht: Schon andere mit viel Rückenwind gestartete Entscheide scheiterten (Stuttgart 21). Folglich verursacht die Bezirksvertretung keine „unnötigen“ Kosten, wenn sie alle Bürger im Bezirk abstimmen lässt. So geht Demokratie. Wenn nun möglichst viele ihre Stimme abgeben, haben am Ende übrigens alle gewonnen.