Essen. „Mehr Demokratie“: Neue Frist fürs Begehren ist anfechtbar. Rückenwind bekommt die Stadt aus Düsseldorf.

Der Verein „Mehr Demokratie“ steht nicht gerade im Verdacht, Bürgerbegehren Steine in den Weg legen zu wollen. Vielmehr handelt es sich um die Lobby-Organisation von Bürgerbewegungen jeglicher Art. Umso kurioser, dass ausgerechnet die Verfechter der Basisdemokratie nun darauf hinweisen, die Essener Initiative „Kulturgut“ dürfe sich nicht zu früh freuen. Dass die Stadt ihr noch einmal drei Monate Zeit für die Unterschriftensammlung einräumt und die bereits zusammengetragenen Unterschriften anerkennt, sei rechtlich nicht zulässig. „Die Stadt gibt hier falsche Hinweise.“

„Die drei Monate beginnen,wenn die Kostenschätzung vorliegt“

Hintergrund ist die Korrektur der Kostenschätzung im Begehrenstext. Die Stellen in den genannten Kultureinrichtungen beizubehalten schlüge nicht, wie die Stadt es den Initiatoren zunächst mitgeteilt hatte, mit 2,2 Millionen, sondern lediglich mit rund 950.000 Euro zu Buche. Das Begehren muss nun neue Unterschriftenlisten drucken, soll dadurch aber keine Nachteile haben.

Dieses Vorgehen sei durch die Gemeindeordnung gedeckt, sagt Uwe Gummersbach, Leiter des Oberbürgermeister-Büros. „Die drei Monate beginnen, wenn die Kostenschätzung vorliegt.“ Und die tatsächliche Schätzung liege nun mal jetzt erst vor, auch wenn das Begehren durch eine falsche Angabe vorzeitig gestartet sei. Die Anerkennung der bereits geleisteten Unterschriften erfolge aus Kulanz. Den Hinweis von „Mehr Demokratie“, alle Listen müssten den gleichen Wortlaut haben, pariert man im Rathaus mit dem Argument, es ändere sich nicht der Wortlaut, sondern nur eine Zahl. Diese „pragmatische Lösung“ habe man vom Rechtsamt prüfen lassen und mit der Kommunalaufsicht abgesprochen. Tatsächlich stärkt man im Düsseldorfer Innenministerium der Stadt den Rücken. „Fehler der Verwaltung sollten nicht zu Lasten der Bürger gehen“, so eine Sprecherin.

Die Zweifel von „Mehr Demokratie“ am städtischen Vorgehen bleiben. „Das ist eine interessante, aber sehr gewagte juristische Interpretation, die es so noch nicht gab“, sagt Landesgeschäftsführer Alexander Trennhäuser. Ihn treibt die Sorge um, dass die Organisatoren des Bürgerbegehrens am Ende die Dummen sein könnten. „Wenn ein Gericht urteilt, dass dieses Vorgehen falsch ist, dann fällt das nicht der Stadt auf die Füße, sondern dem Begehren.“ Aus Trennhäusers Sicht wäre es das Beste, „Kulturgut“ könnte einfach mit den alten Unterschriftenlisten weitersammeln, trotz falscher Kostenschätzung.

Die Sache mit der Kostenschätzung ist „Mehr Demokratie“ ohnehin ein Dorn im Auge. Sie muss im Text auftauchen, so fordert es die Gemeindeordnung. Doch das Gezerre um die „richtigen“ Kosten habe schon in anderen Städten zu Irritationen geführt. Diese Maßgabe sei verzichtbar. Durch die öffentliche Debatte seien die Bürger bereits im Bilde. Und: „Es ist ohnehin nur eine Schätzung.“