Essen. . Rund 90 Millionen Euro sollten die Kosten für den Messe-Neubau betragen dürfen. So hatte es im Jahr 2012 die Messe Essen in die Wettbewerbs-Unterlagen für den geplanten Neubau der Ausstellungshallen festgelegt. Im Frühjahr wird nun bekannt, ob diese Obergrenzeüberschritten wird.
Architekten wissen, wie Architekten ticken. Und sie wissen deshalb auch, wie man die eigenen Zunft am besten austrickst. Also formulierte die Messe Essen anno 2012 in die Wettbewerbs-Unterlagen für den geplanten Neubau der Ausstellungshallen eine Obergrenze fürs Baubudget. Rund 90 Millionen Euro sollten die Kosten dürfen.
Tatsächlich kalkulierte man insgeheim gut sechs Millionen Euro mehr ein. Aber gleich zu Beginn mit der ganzen Wahrheit herauszurücken, das hätte – so dachte man sich – wohl nur die Folge, dass die Bauexperten ihre Kostenschätzungen samt und sonders bequem nach oben orientieren. Es ging ihm aber darum, „eine echte Auseinandersetzung der Architektenbüros mit dem Kosten zu erreichen“. – So argumentiert der für die Messe-Ertüchtigung eingekaufte gelernte Architekt Roland Weiss.
Verraten hat Weiss als „Generalbevollmächtigter Bau“ seinen kleinen Zahlentrick dem Messe-Aufsichtsrat in einem Brief, den man am Freitag in aller Eile und sozusagen per „reitendem Boten“ an die Kontrolleure der Politik zustellte. Aus gegebenem Anlass.
Willkommene Zweifel
Denn nur drei Tage, bevor am heutigen Montag der Generalplanervertrag mit dem Architektenbüro „slapa oberholz pszczulny“ feierlich unterzeichnet werden sollte, fiel die Debatte um die Kosten des Messe-Ausbaus allen Beteiligten vor die Füße: Rainer Hascher vom Berliner Büro Hascher Jehle, das im Messe-Wettbewerb einen der beiden dritten Preise errang, nährte da am Freitag in einem Gespräch mit der WAZ öffentlich Zweifel, dass die Messe-Kalkulation aufgehen kann.
Und derlei Zweifel fallen in diesen Tagen auf besonders fruchtbaren Boden bei denen, die es ohnehin für ein Märchen halten, das Messe-Budget von insgesamt 123 Millionen Euro netto einhalten zu können: Die Grünen forderten prompt einen Abschied vom „Weiter so“ und verlangten eine „Planvariante B“, die Linken wähnen den Aufsichtsrat hinters Licht geführt und meldeten Bedenken im Stakkato an: „Planung chaotisch – Kosten völlig unklar“.
Bei der Messe gewinnt mancher den Eindruck, dass offenbar nicht mal die Mitglieder des Aufsichtsrates begriffen haben: Erst mit der von ihnen neulich abgesegneten Unterschrift unter den Vertrag mit „sop“ beginnt erst jene Detailplanung, in der es bis April auch und gerade darum geht, eine belastbare Kostenschätzung einzuholen.
Diese soll dann helfen, bei der Kalkulation „die Planungssicherheit auf +/- 10 % zu senken“ schreibt Weiss an die Aufsichtsräte. – Und er vergisst auch nicht, daran zu erinnern, dass das Büro Hascher Jehle als einziges fast aus dem Wettbewerb geflogen wäre, weil es schon damals das Budget anzweifelte.
Warten auf genaue Zahlen im April
Das Architektenbüro Hascher Jehle hatte sich um ein Haar selbst aus dem Wettbewerb bugsiert, als es in der Planungsrunde der letzten sieben Büros statt der geforderten Kostenschätzung ein Schreiben mitschickte. In dem hieß es, der von der Messe gesetzte Kostenrahmen sei nicht auskömmlich. Dem Vernehmen nach hatten die Berliner die Kosten damals statt der avisierten 90 auf rund 118 Millionen Euro taxiert.
Auf den Hinweis, eine solche Nichterfüllung der Anforderungen ziehe letztlich den Ausschluss vom Wettbewerb nach sich, reichte Hascher Jehle die Berechnung nach. Es war, so betont der für das Messe-Bauprojekt zuständige Roland Weiss in seinem Brief an die Aufsichtsräte, die einzige Kostenschätzung, die außerhalb der in diesem Stadium „üblichen“ Bandbreite von 20 Prozent überm Kostenrahmen lag.
Diese Bandbreite auf maximal zehn Prozent herunterzuschrauben, dies soll jetzt in der ersten Planungsstufe gelingen. „Wer eine genaue Zahl will, der muss ein bisschen warten“, so lautet das geflügeltes Wort in der Messe. Schließlich würden bis April auch keine Fakten geschaffen. Gut möglich also, dass die Debatte über die Messe-Neubaufinanzierung im April noch einmal hochkommt, dann, wenn diese belastbaren Daten auf dem Tisch liegen.
Immerhin, die anfängliche grobe Kostenschätzung kommt von einem, der sich im Baugeschäft genauso auskennt wie mit den Essener Beteiligten: von Projektsteuerer Klaus Wolff nämlich (Philharmonie, Stadion, Eon-Ruhrgas etc.), der die erste Grob-Kalkulation nach NRZ-Informationen einst für die städtische Grundstücksverwaltung GVE anfertigte. Und mit Roland Weiss ist zudem just der Mann für die Messe mit dem Vorhaben betraut, der zuletzt für eben jenen Klaus Wolff die Geschäfte führte.
Ob das reicht, um auch die politischen Baustellen im Griff zu behalten, muss sich noch erweisen. Die Grünen wollen den Aufsichtsrat bereits an die Leine nehmen: Keine finanzwirksamen Beschlüsse ohne Ratsbeschluss, heißt ihre Devise. Einen Zahlentrick dagegen gibt’s wohl nicht.