Suat Yılmaz ist der wohl einzige Talent-Scout in Deutschland, der von einer Uni beschäftigt wird. Der 37-Jährige besucht im Auftrag der „Westfälischen Hochschule“ (früher FH Gelsenkirchen) regelmäßig Schulen im nördlichen Ruhrgebiet, um Jugendliche mit Lern-Lust anzustecken.
An der Gesamtschule Nord in Vogelheim unterstützt Schulleiter Thomas Keller das Engagement von Yılmaz, weil Keller davon überzeugt ist, dass es hilft, wenn Schüler, die häufig die ersten in ihrer Familie sind, die Abi machen, zusätzliche Impulse von außen bekommen. Zum Beispiel: Der Oberstufenschüler Kaan.
Er hat eine Eins plus in Physik und – unglaublich! – dieselbe Note in Chemie. Er möchte studieren, hat aber noch viele Fragen. Zuhause kann ihm niemand helfen, er wird der erste sein, der eine akademische Laufbahn einschlägt. Seine Eltern spornen ihn dabei an: „Sie wollen unbedingt, dass ich etwas erreiche im Leben“, sagt Kaan.
Suat Yılmaz kennt dieses Bestreben im Arbeitermilieu, das Migrantenfamilien besonders oft zeigen. Die Ängste, die Kinder aus diesen Familien haben, seien jedoch nicht anders als bei denen ohne Migrationshintergrund. Ähnliches Milieu, ähnliche Fragen: Wie lange wird es dauern? Kann ich mir das überhaupt leisten? Auch Onur wird der erste Student in seiner Familie sein. Der 20-Jährige will Bau-Ingenieur werden, „etwas, das auch in Zukunft von Bedeutung sein wird“. Yılmaz spricht mit ihm über die Vorzüge eines dualen Studiums: „Überlege, ob du so ein Typ bist.“ Er schlägt vor, ihn mit einem Bau-Ingenieur bekannt zu machen. „Vorbilder sind extrem wichtig.“
Er muss es wissen, er ist selbst eines. In gewissen Regionen des Ruhrgebiets hätten die jungen Menschen noch nie jemanden kennengelernt, der studiert hat. „Zu sehen, dass jemand aus Vogelheim oder Karnap es geschafft hat, Ingenieur bei Airbus zu sein oder Chirurg zu werden, das ist sehr motivierend für diese jungen Menschen.“
Als Schülerin Cansu das letzte Mal in die Beratung kam, wollte sie noch Architektin werden. Inzwischen wäre auch Pädagogik eine Option. Und Maschinenbau. Oder eine Ausbildung im Handel? Irgendwie scheint alles für sie infrage zu kommen. Yılmaz: „Vieles wird dich begeistern“, sagt er zu der 19-Jährigen, „wichtig ist es, etwas zu finden, das zu dir passt.“ Cansu lächelt schüchtern.
Yılmaz spricht weiter auf sie ein: „Beruf hat etwas mit Berufung zu tun. Es muss dir gefallen. Sobald du Spaß hast, wirst du Erfolg haben, Karriere machen. Das ist wie eine chemische Reaktion.“
Yılmaz will Schülern den Weg zeigen. Gehen müssen sie ihn selbst.