Samstagmorgen, 11.11 Uhr: Der große, holzvertäfelte Sitzungssaal im Rathaus verwandelt sich in ein ein Narrenhaus. „Ihr frohen und bunten Gestalten, sollt Ihr nun den Stadtrat verwalten“, begrüßt Hausherr Oberbürgermeister Reinhard Paß die 40 Prinzenpaare aus Essen und Umgebung, die sich an diesem Vormittag zu einer außergewöhnlich wichtigen Ratssitzung versammelt haben. Das Anliegen der bunten Fraktion: „Förderung des karnevalistischen Brauchtums durch Novellierung gesetzlicher Vorschriften und Ausschöpfung vorhandener legaler Möglichkeiten.“

Narren droht der Freiheitsentzug

Neu ist den anwesenden Volksvertretern der Antrag nicht. Mit großem Wohlwollen nimmt der Rat der Stadt die Bitten schon seit 13 Jahren auf. Bedauerlicherweise sei es laut Peter Sander, dem Vorsitzenden des Festkomitees Essener Karneval (FEK), jedoch nie zu konkreten Beschlüssen gekommen. Man sehe es der Stadt nach, denn: „Wer so viel Schulden wie Essen hat und deshalb Stellen abbaut, der ist in seinem Handlungsspielraum ziemlich behindert und kann sich nicht mehr um alles kümmern“, so Sander.

Nichtsdestotrotz: Man kann es ja immer noch mal versuchen. Bare Münze aus der Stadtkasse erwarten die Narren ohnehin nicht. Sie üben sich in Bescheidenheit und begnügen sich mit Lippenbekenntnissen. Doch geringfügige Änderungen in einigen Gesetzestexten sollten da doch drin sein. Mit Justizminister Thomas Kutschaty im Publikum stoßen die Karnevalisten mit ihren rechtlichen Fragen ja vielleicht sogar auf das richtige Gehör?

Alleine um die Arbeit der Karnevalisten aus der halblegalen Grauzone heraus zu holen, käme eine Prüfung des Paragrafen 3, Versammlungsgesetz, in Betracht. Hier heißt es laut Sander: „Es ist verboten öffentlich oder in einer Versammlung Uniformen, Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen Gesinnung zu tragen.“ Ergo: Es drohe den Narren Freiheitsentzug von bis zu zwei Jahren.

Nun, ganz so ernst wird das wohl nicht genommen. Sehr im Gegensatz zum Thema „Gema“, die bei ihrer Gebührenpolitik keinerlei Spaß versteht. Die gerade für nichtkommerzielle Veranstaltungen existenzbedrohende Abgabe mache sich schließlich auch im Karneval negativ bemerkbar, hieß die Klage. Paragraf 24 des Urheberrechtsgesetzes sollte deshalb dringend überdacht werden, fordert Sander im Namen aller Anwesenden.

Maskerade für Karneval im Aalto

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    Diese und weitere Forderungen, wie auch die Einführung einer Narrenquote liegen dann also auf den Tisch des Hauses - und jetzt müssen die Politiker ran. FEK-Mitglied und Moderator der Sitzung, Wolfgang Zinn, bittet um konstruktive Beiträge und vor allem darum, die vorgegebene Redezeit von fünf Minuten nicht zu überschreiten. Dass das nicht funktioniert, versteht sich an dieser Stelle von selbst. Schon der erste Volksvertreter Harald Hoppensack (SPD) redet rund zehn Minuten unter anderem über das Nichtrauchergesetz und spricht sich deutlich gegen ein Nichttrinkerschutzgesetz aus. Der schwarz bemützte Ratsherr Hans Schippmann (CDU) leistet einen literarisch wertvollen Beitrag, zitiert Hamlet und Faust, während Bürgermeister Rolf Fliß (Grüne) sich Gedanken um die Plastikverpackungen der Kamellen und um Wildpinkler beim Rosenmontagszug macht. Und Hans-Peter Schöneweiß (FDP) ist nicht verlegen darum, seine Redezeit zum größten Teil dazu zu nutzen, seine Vorredner auf die Schippe zu nehmen.

    Nicht verwunderlich, dass, wie immer, nichts beschlossen, sondern die Sitzung auf das nächste Jahr vertagt wurde. Und auch die Einladung für die Portion Erbsensuppe in der 22. Etage kam für alle Beteiligten nicht ganz überraschend.