Essen. . Trau einem über 70: Klaus Kunze soll weitere zwei Jahre Chef der Entsorgungsbetriebe bleiben. Und Bernhard Görgens ist als EVV-Chef bis Ende 2015 im Gespräch.
An seinem ersten Tag in städtischen Diensten kam der kleine Klaus in kurzen Hosen ins Krayer Rathaus – ein Umstand, der dem 14-Jährigen flaumbärtigen Herrn Kunze einen gehörigen Anpfiff vom Oberinspektor bescherte. Der muss gewirkt haben, denn auch unglaubliche 55 Jahre später hat Klaus Kunze noch immer die Hosen an – mittlerweile als Chef der zu 51 Prozent städtischen Entsorgungsbetriebe.
Und während andernorts im städtischen Rund längst die übernächste Generation den Besen schwingt, denkt man im Fall Kunze gar nicht an einen Kehraus: Heute soll dem Mann, der im Februar 69 Jahre alt wird, eine weitere Vertragsverlängerung um zwei Jahre bis Ende 2015 angedient werden. Kunze ist dann 71-einhalb – rekordverdächtig.
Der Kumpel-Typ und die graue Eminenz
Er selbst mag das nicht kommentieren. Und warum schlägt der Vertreter der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi im Aufsichtsrat ihn vor? „Gute Frage. Weil wir keinen anderen haben“, sagt Lothar Grüll in entwaffnender Offenheit. Keinen jedenfalls, der bei den Arbeitnehmer-Vertretern genau so gut gelitten ist wie in der Politik, in diesem Fall: bei der SPD.
Kunzes Pendant, christdemokratisch eingefärbt, ist Bernhard Görgens. Auch der Stadtwerke-Chef und Frontmann der mächtigen Verkehrs- und Versorgungs-Holding EVV genießt mit mittlerweile 66 Jahren Anerkennung über alle Lager hinweg. „Gut unterrichtete Greise“ sagen manche augenzwinkernd über Kunze und Görgens, wobei den Kumpeltyp Kunze und die graue Eminenz Görgens auf der Zielgeraden nicht mehr im Gleichschritt gehen: Görgens hört als Stadtwerke-Chef auf, vielleicht weil die Parteifreunde ihn lauter hätten bitten müssen zu bleiben.
Langjähriges Vertrauen
Aber immerhin: Auch er geht zum Jahresende womöglich nicht so ganz. Eine Vertragsverlängerung um zwei Jahre ist bei der EVV im Gespräch, weil das Gesellschafts-Konstrukt auf neue Füße gestellt werden soll. Da braucht man für die Übergangszeit einen mit Erfahrung, einen, der weiß, wo es langging und langgeht, einen, dem man vertraut.
Das tun sie, auf allen Seiten.
Und dieses Vertrauen müssen sich die Neuen – wer immer da demnächst auf der Matte steht – erst noch erarbeiten. Manchmal scheint es, als hätte die Stadt selbst ein bisschen Bammel davor, dass anstehende Personalentscheidungen nicht in die Hose gehen: Da geht es, heißt es in einem Verwaltungspapier, immerhin um „strategisch wichtige Geschäftsführer/Vorstandspositionen im Konzern Stadt“, weshalb man sich ein standardisiertes Verfahren überlegt hat, auf dem Markt die besten Leute zu finden: Findungskommissionen sollen gegründet, Headhunter beauftragt, Stellen ausgeschrieben oder mögliche Bewerber direkt angesprochen werden, der Rat soll mitmischen und notfalls auch der Unterausschuss für Finanzen und Beteiligungen.
Einen vernünftigen Übergang
Lothar Grüll findet: Vieles ist in der Vergangenheit versäumt worden, Führungskräfte wüchsen nicht auf Bäumen, die muss man aufspüren, im Bedarfsfall schulen, und da kommt ein 69-Jähriger, der einem als Interims-Arbeitsdirektor der EVV Zeit verschafft, einen Hauptamtlichen für diesen Job zu suchen, gerade recht.
Das zahlt die Stadt Essen den Chefs ihrer Firmen
„Mir geht es darum, einen vernünftigen Übergang hinzukriegen“, sagt der Verdi-Mann deshalb, und wenn er heute im Aufsichtsrat vorschlägt, Kunze noch zwei Jahre im Amt zu belassen, ist dank der sieben Stimmen aus dem Arbeitnehmerlager und den drei Genossen – OB inklusive – vorab alles geritzt. Sollte der private 49 %-Gesellschafter Remondis Kunze auch mitwählen, ist das unerheblich, als Symbol aber beachtlich.
Denn gut Freund war man sich weiß Gott nicht immer: „Wenn der Klaus nicht gewesen wäre, hätte Remondis uns die Autos längst schon vom Hof geholt“, sagt einer, der beide Seiten kennt. Die CDU ist dennoch gegen eine Vertragsverlängerung, die im Rat abgesegnet werden müsste. Mal sehen, wer dann zu kurze Hosen anhat.