Angekündigt war es schon vor einem Jahr: Jetzt aber startet der RWE-Konzern tatsächlich ein neues Kapitel in der Stromversorgung. Im März ist Spatenstich für das neue Hochtemperatur-Supraleiterkabel, das mitten durch die Innenstadt in die Erde verlegt wird. Es hat sechsmal mehr Kapazität als ein herkömmliches Stromkabel und könnte einst die innerstädtische Stromverteilung revolutionieren.

Es ist also nicht irgendein Forschungsprojekt, das RWE unter dem Namen „Ampacity“ in Essen in Angriff nimmt. Diese Technologie werde weltweit noch nirgendwo sonst auf einer solchen Streckenlänge wie in Essen getestet, sagte Stefan Küppers, Geschäftsführer der Westnetz GmbH. Westnetz ist das neue Netz-Tochterunternehmen der RWE Deutschland AG, das seit Anfang des Jahres unter diesem Namen firmiert (siehe Text unten). Nur in New York gebe es bereits kürzere Testleitungen mit Supraleiterkabeln.

Projekt kostet 13,5 Millionen Euro

Auf etwa einem Kilometer Länge wird das 10 000-Volt-Supraleiterkabel verlegt, zwischen zwei Umspannstationen auf der Dellbrügge und der Herkulesstraße. Vor allem in den Fußwegbereich, wie Küppers betont. Es ersetzt dort die herkömmlichen 110 000-Volt-Leitungen. Insgesamt 13,5 Millionen Euro kostet das Projekt und wird vom Bund mit rund 6,3 Millionen Euro gefördert. Zwei Jahre lang will RWE die Technologie in Essen testen, um dann zu entscheiden, ob sie in größerem Umfang eingesetzt werden kann. Entscheidend wird unter anderem sein, ob sie sich rechnet und ob die bisherigen Theorien zur Supraleiter-Technik mit den Erkenntnissen weiterentwickelt werden können.

Supraleiter sind Leiter auf keramischer Basis. Mit flüssigem Stickstoff auf rund minus 200 Grad Celsius gekühlt, können sie Strom nahezu verlustfrei transportieren. Sie sind normalen Kupferkabeln überlegen, weil sie bei gleichem Leiterquerschnitt viel höhere elektrische Ströme transportieren können.

Technologie schon lange bekannt

Vor allem im innerstädtischen Bereich sind sie für die Energieversorger interessant. Denn sie sind platzsparend. Unter Umständen werden auch Umspannstationen nicht mehr gebraucht. „Wenn wir das Bild des Straßenbaus nehmen, müssen wir damit nicht immer breitere Straßen bauen“, sagte Küppers.

An der Supraleiter-Technik wird bereits seit mehr als 100 Jahren geforscht. Unter anderem bekam der Deutsche Johannes Georg Bednorz 1987 einen Physik-Nobelpreis dafür. Durchgesetzt hat sie sich bis heute nicht. Vielleicht ist in Essen der Anstoß dafür.