Essen. . Rund 1000 Kubikmeter Geröll sind in der Nacht des 4. November aus einer Wand an der Nierenhofer Straße auf den Parkplatz eines Autohandels gebrochen. Seitdem kämpfen die beiden Geschäftsführer für ihren Betrieb. Von der Stadt fühlen sie sich quasi enteignet, ihre Gemütslage bringen sie so auf den Punkt: „Ätzend.“

Das Plakat auf dem Parkplatz hat etwas Tragikomisches: Es wird für den WWF geworben, um Spenden gegen das Aussterben der Elefanten. „Gestern war sie noch da“, lautet die Schlagzeile. Davor stehen Olav Göb und André Neumann, vor dem Trümmern ihres Autohandels an der Nierenhofer Straße. Eine Geröll-Lawine hat den Großteil des Parkplatzes und ihres Fuhrparks von Gebrauchtwagen begraben.

Anfang November waren sie noch da. Jetzt sehen Göb und Neumann zu, dass es weitergeht, mit ihrem Betrieb und auf ihrem Grundstück, zu dem auch ein Mehrfamilienhaus und eine Gaststätte gehören.

Die Stadt Essen hat eine Ordnungsverfügung erlassen, die den Autohändlern das Betreten von Parkplatz und ehemaliger Verkaufshalle untersagt.
Die Stadt Essen hat eine Ordnungsverfügung erlassen, die den Autohändlern das Betreten von Parkplatz und ehemaliger Verkaufshalle untersagt. © WAZ FotoPool

„Ätzend“ - ihre Gemütslage bringen die beiden Gebrauchtwagenhändler über einen Monat nach dem nächtlichen Felssturz unisono auf den Punkt. Was passiert ist seitdem? „Nicht viel“, sagt André Neumann. Vor allem aber ist ihnen eine Ordnungsverfügung der Stadt ins Haus geflattert. Tage nach dem Abbruch. Kinder hatten da schon auf den Schutthaufen gespielt. Da sieht die Stadt Gefahr im Verzug und untersagt mit dem Schreiben bis auf Weiteres und zunächst zeitlich unbegrenzt den Aufenthalt und den Betrieb auf dem Parkplatz: „Das ist quasi eine Enteignung“, ärgert sich André Neumann: „Wir dürfen noch nicht mal das Geröll wegräumen.“

Göb und Neumann haben sich als Verkaufsraum zuerst ein winziges Zimmer geteilt, das in einem Anbau lag, der bislang von der angrenzenden Gaststätte Rhodos als Gesellschaftsgebäude genutzt wurde. „Betreten verboten“ gilt dank der Ordnungsverfügung größtenteils auch dort. Der Gastwirt hat Göb und Neumann die Miete gekürzt, weil er nicht mehr über die volle Nutzfläche verfügen kann. „Verständlicherweise“, sagen die Autohändler. Zwei Mitarbeiter haben die beiden in Kurzarbeit geschickt, eine Aushilfe entlassen.

„Die Steine lagen bis auf die Straße“

Rund 1000 Kubikmeter Geröll sind in der Nacht des 4. November aus der Wand gebrochen, schätzen Göb und Neumann. 12 Autos begruben sie unter sich. Opel, BMWs, ein VW Bus. Der BMW 1er, der noch auf dem Hof parkt, sieht aus wie aus der Schrottpresse. Für die 80.000 Euro Sachschaden kam die Kaskoversicherung auf. Es gab keine Verletzten. Ein Glücksfall, denn „die Steine lagen bis auf die Straße“, erinnern sich Göb und Neumann heute.

Die Ursache des Felssturzes wird wohl nie eindeutig zu ermitteln sein. Gut möglich, dass Wurzeln der Bäume auf dem Fels-First Stein und Erdreich durchhöhlt haben. „Die wollten wir schon vor zehn Jahren fällen“, erinnert sich Olav Göb. Jetzt erst ist es den Bäumen endgültig an den Kragen gegangen. Seit Anfang der Woche wird der Hang kahl geschlagen. Die Stadt hat die Fäll-Aktion genehmigt. Als erste Maßnahme zur Hangstabilisierung, für die Göb und Neumann als Eigentümer selbst Vorsorge zu treffen haben. „Wenn ansonsten etwas passiert, werden wir haftbar gemacht“, sagt Christina Neumann, die Frau von André und Schwester von Olav. Sind die Bäume weg, wird weiter geforscht: Kann der überstehende Hang begradigt werden? Muss er schrittweise oder terrassenartig abgetragen werden? Klar ist: Auf Göb und Neumann kommen weitere Kosten zu. Allein für ein Gutachten für die Fällung der Bäume wurden über 10.000 Euro fällig.

Eine der ersten Amtshandlungen nach dem Felssturz war der Blick von Christina Neumann in die Police - und die Erleichterung: Ja, Elementarschäden sind durch die Gebäudeversicherung abgedeckt. „Jeder Handgriff am Hang ist mit extremen Kosten verbunden“, sagt Olav Göb, der darauf setzt, dass die Versicherung auch bei Maßnahmen zur Hangstabilisierung eingreift. „Ich sehe die in der Pflicht“, sagt auch Christina Neumann.

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„Wir haben lange für den Betrieb gekämpft“

Aufgeben wollen Göb und Neumann nicht: „Wir haben lange für den Betrieb gekämpft.“ Richtig offiziell gibt es sie erst seit drei Jahren an der Stelle, dabei besteht der Betrieb schon seit 23. Die Stadt habe den Autohandel lange nicht gewollt: „Wir waren nur geduldet, erst vor drei Jahren ist der Bauantrag genehmigt worden.“ Von der Stadt allein gelassen fühlen sich Göb und Neumann auch seit dem Felssturz: „Die haben gesagt, wir helfen, aber...“, sagt Olav Göb. „Wir haben keine Unterstützung bekommen“, ergänzt André Neumann, „auch nicht bei der Standortsuche.“ Ein neues Plätzchen haben sie dennoch schon gefunden: an der Nierenhofer Straße 18, gleiche Straße, etwas näher an der Autobahn 44. Es geht voran bei Göb und Neumann, auch wenn es erstmal nur 800 Meter sind. Auf der Straße steht Olav Göb und blickt auf den Hang. “Es ist noch zu früh“, sagt Göb, „um wieder guten Mutes zu sein.“ Denn die Wand ist noch da.