Früher war Harald selbst suchtkrank. Alkohol, Medikamente. „Polytoxin“, sagt er, heiße das, wenn man gleich von mehreren giftigen Stoffen abhängig sei. Heute hilft der 51-Jährige anderen, die in einer ähnlichen Situation stecken wie er damals: Als einer von knapp 20 ehrenamtlichen Mitarbeitern hängt er an der Strippe des Suchtnotrufs Essen. 2500 bis 3000 Betroffene und Angehörige suchen auf diesem Weg jährlich Rat. Vom neuen Jahr an sollen es noch mehr werden: Dafür hat der Verein von einer Werbeagentur einen neuen öffentlichen Auftritt entwickeln lassen.
„Das Suchtproblem existiert völlig unabhängig von irgendwelchen sozialen oder beruflichen Komponenten“, weiß Nicolin Vook-Chaban, Leiterin des Suchtnotrufs. Nicht zuletzt deshalb sei es wichtig, möglichst breit in der Öffentlichkeit präsent zu sein. So sollen Poster und Flyer in Bürgerämtern und Arztpraxen, aber auch in Jugendeinrichtungen und Schulen hängen und ausliegen. „Suchtprobleme fangen oftmals bei Schülern an“, weiß Harald. „Viele sind erst 12 oder 13 Jahre alt. Dabei sei Alkohol nach wie vor die Einstiegsdroge Nummer Eins – dies spiegele sich auch bei den Anrufen wieder. „60 Prozent der Anrufe kommen von Angehörigen von Alkoholkranken“, weiß Vook-Chaban. Aber auch moderne Erkrankungen wie Computer- und Internetsucht spielten zunehmend eine Rolle bei den Gesprächen. Wie viele Suchtkranke es in Essen gebe, lasse sich kaum sagen, denn die Grenze zur Krankheit sei oft fließend.
Finanziert wurde die neue Kampagne mit Hilfe der Allbau AG – 7500 Euro hat sich die Wohnbaugesellschaft dieses soziale Engagement kosten lassen. Auch in Büros und in der Mieterzeitschrift des Konzerns sollen sich die neuen Werbemittel des Suchtnotrufs präsentieren.
Nicht nur Betroffene will man mit dem neuen Öffentlichkeitsauftritt, zu dem auch ein modernes Logo mit bunten, abstrahierten Händen und eine neu gestaltete Homepage gehört, erreichen, auch neue potenzielle ehrenamtliche Helfer sollen angesprochen werden. „Eigentlich bräuchten wir 25 Ehrenamtler“, erläutert die Leiterin. Denn immerhin sei der Suchtnotruf 24 Stunden täglich erreichbar. In einer dreimonatigen, berufsbegleitenden Schulung bekommen die Interessenten das nötige Fachwissen vermittelt – Ende Januar ist eine weitere Schulung geplant. „Wir können sowohl Leute mit als auch ohne eigene Suchterfahrung gebrauchen“, wirbt Vook-Chaban.
Harald jedenfalls ist froh, seine Erfahrungen in die Gespräche miteinbringen zu können. „Die schönste Lohn ist es“, sagt er, „wenn die Betroffene zum Schluss sagen: Danke, dass es euch gibt.“