500 Bilder hat Thomas Mickler mit seiner Kamera geschossen, um den Baufortschritt im Uni-Viertel zu dokumentieren. Als bevorzugtem Standort für sein Foto-Shooting diente ihm eine Skulptur: ein Aussichtsbalkon a la Romeo und Julia in 8,13 Metern Höhe, montiert an ein Stahlgerüst. Das Geschenk einer Bank an die Stadt. Wie praktisch. Nun steht der 49-Jährige gemeinsam mit Ehefrau Rita auf dem Balkon der eigenen Wohnung und lässt sich den winterlichen Wind um die Nase wehen. 4. Obergeschoss, 90 Quadratmeter, Südwestlage. Schöne Aussicht inklusive.

Dabei war es nicht einmal Liebe auf den ersten Blick. Eine schicke Altbauwohnung, davon träumte das Paar. Und so war Rita Mickler erst skeptisch, als eine Freundin sie auf die Anzeige von Hochtief Solutions im Immobilienteil der Tageszeitung aufmerksam machte: Wohnen in der Grünen Mitte. Das klang verlockend. Dazu Kaufhäuser, Kinos und zwei U-Bahnstationen direkt vor der Haustür. Warum nicht? „Hier entsteht etwas Neues, da wollten wir dabei sein“, sagt Mickler.

Mahner, ja die gab es. Der verruchte Ruf des Segeroth wirkt bei alteingesessenen Essenern bis heute nach. Das Arbeiterviertel im Schatten der kruppschen Fabriken mag längst Geschichte sein, aber es beflügelt die Phantasie. „Was, ihr zieht ins Tal der tieffliegenden Messer“, das bekam er des öfteren zu hören von Freunden und Bekannten, die südlich der A 40 zu Hause sind, erzählt Thomas Mickler, der im Schwabenland groß geworden ist und von dort einen unvoreingenommenen Blick auf seine Wahlheimat mitgebracht hat. Wie seine Frau, die aus Ungarn stammt und seit zwölf Jahren bei den Essener Philharmonikern Geige spielt.

Nun sind sie mitten drin, zwei Pioniere, die die Innenstadt als bevorzugten Ort zum Wohnen entdecken. Und wie Entdecker bewegen sich die beiden auf ungewohntem Terrain noch vorsichtig. Filzpantoffeln schonen das Eichenparkett ihrer großzügig geschnittenen Drei-Zimmer-Eigentumswohnung. Und der Abstecher mit dem Fahrrad in die nördliche Innenstadt wird zur Reise ins Abenteuerland. Schenkt man Stadtplanern und Auguren Glauben, brechen auch dort nun neue, bessere Zeiten an durch die Nachbarschaft zum Uni-Viertel. Dort sind die Micklers sind nicht alleine. Eine einzige der 50 Hochtief-Wohnungen ist noch frei. Nebenan, bei der Dornieden Generalbau, werden in dieser Woche die letzten beiden von 32 Verträge unterzeichnet. Rund 30 Prozent der Käufer sind Kapitalanleger und sehen ihr Geld offenbar gut angelegt. Auch beim Allbau freuen sie sich, dass die 78 Mietwohnungen an „Pier 78“ zu 80 Prozent vergeben sind. Nur „die ganz großen ab 100 Quadratmeter“ seien noch zu haben, berichtet Allbau-Sprecher Dieter Remy und klingt ziemlich gelassen. Im Frühjahr ziehen die ersten Mieter ein.

Makler, Investoren und Trendforscher dürften ihre wahre Freude haben. Denn wohnen in der City ist sexy. Das muss nicht jedermanns Sache sein. Zum 49. Geburtstag bekam Thomas Mickler von einem Freund augenzwinkernd Asterix Band 17 geschenkt: „Die Trabantenstadt“. Dass das neue Viertel zwischen Innenstadt und Uni-Campus wie im Comic aber alsbald einem Eichenwald weichen könnte, ist nicht zu erwarten. Die Eckehard Adams Wohnungsbau GmbH hat im Osten mit dem Bau von 19 Stadthäusern begonnen, ab Mai kommenden Jahres zieht das Versorgungswerk der Architektenkammer im Westen 105 Mietwohnungen hoch, für den Wohnkomplex Parc View ist die Baugrube ausgehoben.

Die Baukräne werden sich also weiter drehen. Alles schöne Motive. Hobbyfotograf Thomas Mickler wird sie festhalten von seinem Balkon.