Hildrun Müller ist einer dieser Menschen, denen ihre Frohnatur ins Gesicht geschrieben steht. Beim Fototermin wirbelt sie lachend durch ihr Wohnzimmer. So abgedroschen es ist, drängt sich bei ihrem Anblick Udo Jürgens Klassiker „Mit 66 Jahren“ ins Ohr. Dennoch macht sich die fidele 65-Jährige schon seit geraumer Zeit Gedanken, wie sie leben möchte, wenn ihr Körper und schlimmstenfalls auch der Kopf nicht mehr so können, wie sie es will. Im April zieht sie in eine der barrierefreien Mietswohnungen, die der Allbau zurzeit als Projekt „Pier 78“ im Univiertel baut.

„Man muss dieses Thema früh angehen, gerade wenn man wie ich alleine wohnt und keine Kinder hat“, sagt die Rentnerin, für die ein Alten- oder Pflegeheim „ein absoluter Alptraum“ wäre.

Hildrun Müller ist nach Zahlen des Amts für Statistik aus dem Jahr 2011 eine von 27 384 Bürgern zwischen 65 und 79 Jahren, die in Essen alleinstehend sind.

Für Wohnungsgesellschaften wie Allbau sind neue Wohnformen im Alter deshalb immer mehr ein Thema, bestätigt Prokurist Samuel Serifi. „Unsere neuen Projekte werden ausschließlich barrierefrei gebaut. Bei bestehenden Immobilien versuchen wir, sukzessive nachzubessern.“ Services wie ein Concierge etwa, der sich um Alltägliches wie den Einkauf kümmert, würden verstärkt nachgefragt. Am Niederfeldsee würde außerdem in einem der Neubau eine Tagespflege für Ältere integriert.

Dass immer mehr Menschen im Alter zentral und gut versorgt leben möchten, zeigt die Nachfrage im Uni-Viertel. Ein Großteil der neuen Mieter gehöre der Generation 50plus an, junge Familien seien eher die Ausnahme, so Serifi.

Für Hildrun Müller endet mit dem Einzug im Frühjahr eine lange Suche. Vor sechs Jahren traf sie über eine Zeitungsannonce auf eine Gruppe Gleichgesinnter, die eine gemeinsame Immobilie suchte. „Ziel war es, sich gegenseitig im Alter unterstützen zu können. Jeder hat seinen Bereich aber wer die Gemeinschaft sucht, der findet sie auch“, erklärt sie das Konzept der modernen „Alten-WG“. Sie sahen sich die ehemalige Lukaskirche in Holsterhausen an, führten Gespräche mit Wohnungsgesellschaften und Banken. „Eine geeignete und vor allem bezahlbare Immobilie für dieses Projekt im Essener Süden zu finden, ist so gut wie unmöglich“, sagt die ehemalige kaufmännische Angestellte, die seit 2006 in einem der Hochhäuser an der Ulmenstraße in Stadtwald lebt.

Sie fühlt sich dort wohl, „wenn ich umziehe, habe ich drei Tränen im Knopfloch“, sagt sie. Doch die Vernunft siegte. Auch, wenn es mit dem gemeinsamen Wohnprojekt nicht geklappt hat, freut sie sich auf die neue Nachbarschaft im „Pier 78“. Die konnte sich innerhalb des Projekts „Nachbarschaft Plus“ sogar im Vorfeld kennen lernen. „Das war ein Angebot an Mieter, die auf eine gute Nachbarschaft Wert legen“, erklärt Serifi. Für die Menschen, die lieber zurückgezogen leben wollen, sei natürlich auch Platz. Da gehört Hildrun Müller sicherlich nicht dazu. Ihr neues Leben fängt schließlich bald erst an.