Es gibt ihn noch. Den ungebremsten Einsatz der Linken, einen Strafprozess zu stören. Auch wenn es nur um eine kleine Geldstrafe geht.

Am 12. Mai hatten Linke eine Demo von Rüttenscheid bis in die City durchgeführt. Es ging um die Erinnerung an den FDJ-Aktivisten Philipp-Müller, der in Essen 1952 bei einer Demo gegen die Wiederbewaffung erschossen wurde. Im Mai hatten Teile der Bezirksvertretung überlegt, die Rüttenscheider Brücke nach ihm zu benennen. Dagegen protestierten Gegner, die in Müller einen Stalinisten sehen.

Bei der Demo im Mai trugen einige die blauen Hemden der FDJ, also der im Westen Deutschlands verbotenen Jugendorganisation der DDR. Polizisten wollten deshalb ihre Personalien aufnehmen und gerieten dabei mit einem 38-Jährigen aneinander. Er soll sich geweigert und losgerissen haben, als ein Beamter ihn ergriff. Einem anderen soll er auf die Nase geschlagen haben.

Bevor am Dienstag die Anklage wegen Widerstandes und Körperverletzung vorgelesen wird, lässt Amtsrichter Georg Dodegge die Zuschauerreihen lichten. Justizwachtmeister und Polizisten tragen Freunde des Angeklagten an Händen und Füßen heraus. Sie trugen im Saal das blaue Hemd mit dem FDJ-Emblem und wollten nicht gehen. Der Angeklagte trägt es auch, aber auf ihn kann der Richter schlecht verzichten.

Aus Sicht des Angeklagten ist das Verbot der Hemden rechtlich strittig, weil es die DDR seit über 20 Jahren nicht mehr gibt. Die juristische Bewertung des Richters lautet angesichts seiner Maßnahme anders. Eingangs gibt es einen langen Monolog des Angeklagten, der „Widerstand gegen Staatsgewalt als Pflicht erachtet“ und über das Großkapital herzieht.

Zum Schluss gibt es eine Geldstrafe von 700 Euro (35 Tagessätze) wegen des Schlags auf die Nase. Für den Widerstand billigt Richter Dodegge ihm einen Verbotsirrtum zu. Den Zuhörern empfiehlt er, den Strafprozess nicht zu instru­mentalisieren. Sie sollten politische Möglichkeiten nutzen. Dodegge betont, dass das Heraustragen die mildeste Möglichkeit der Reaktion war. Eines sei klar: „Ich dulde keine FDJ-Hemden in meinem Saal.“