An Anke Stilgenbauers Ohrläppchen reiht sich ein Ohrring an den nächsten. Ein markantes Merkmal, das in der Gebärdensprache eine Rolle spielt. Anfangs also hat Frau Stilgenbauer ihren Namen mit Fingern buchstabiert. Heute genügt, ist von ihr die Rede, ein Griff ans Ohrläppchen. Dann ist Frau Stilgenbauer, die für die Beratungsstelle „Gehörlose Menschen im Alter“ arbeitet, im Gespräch.

Worte, Zeichen, Abkürzungen, man stellt sich das so kaum vor, die, zu einem Bild zusammengesetzt, einen Sinn ergeben. Für Menschen, die im Umgang mit Gehörlosen geübt sind, eine Selbstverständlichkeit. Doch was, wenn der gehörlose Angehörige pflegebedürftig wird? Dann kommt Anke Stilgenbauer und schult Mitarbeiter von Pflegediensten und -heimen und Angehörige.

In einem ersten Kurs behandelte sie das Thema Demenz, die ihre eigenen Tücken mit sich bringt. „Früher war die Gebärdensprache verboten, Gehörlose waren dazu angehalten, oralistisch zu kommunizieren.“ Weil bei der Demenz aber das, was erst spät gelernt wurde, zuerst in Vergessenheit gerät, wird der nicht Hörende schnell doppelt hilflos. Der Angehörige kann Gebärden machen, bis ihm Arme und Hände schwer werden, der Gehörlose wird ihn nicht mehr verstehen.

Eine weitere Tücke: „Durch den Krieg und nach Flucht und Vertreibung haben viele Senioren nicht den gleichen hohen Bildungsstand wie ihre Kinder oder die Pflegekräfte. Da wird es schwierig, sich zu verständigen.“ Für manche Worte gibt es keine gebärdensprachliche Übersetzung, eine Sprache, die ohnehin mit Auslassungen lebt, deren Sinn sich oft nur aus dem Zusammenhang zusammensetzen lässt - so man dazu kognitiv noch in der Lage ist.

„Also müssen Angehörige und Mitarbeiter von Pflegediensten ein Gefühl dafür entwickeln, was möglich ist“, sagt Anke Stilgenbauer. „Man kann nicht hinter jemandem stehen und ihm den Rücken waschen, und erwarten, dass er einem von den Lippen liest.“ Der Zugang auf einen verwirrten, möglicherweise aggressiven Menschen erfordere neben Einfühlungsvermögen Fachwissen. Und eben das vermittelt Anke Stilgenbauer in den Kursen, die jetzt gestartet sind.

Gehörlose, die nicht hörende Angehörige pflegen oder Kinder, die hören und ihre gehörlosen Eltern in der Pflege begleiten, haben sich angemeldet. „Natürlich ist es nicht möglich, in einem Kurs die Gebärdensprache zu vermitteln.“ Die meisten Besucher hätten ohnehin bereits Vorkenntnisse gehabt. Und die, die nicht über dieses Basiswissen verfügen? „Die können wir immerhin sensibilisieren.“