Essen. . Weil das Budget nicht reicht, will man sich von 13 % der Flächen trennen – und „Schrottimmobilien“ abreißen.
Für Häuslebauer sind das paradiesische Zustände: So günstig wie derzeit kamen sie noch nie an einen Baukredit. Doch eine Immobilie will auch auf Dauer unterhalten werden, und genau dies fällt der Stadt Essen, die sich einst rühmte, das höchste Rathaus der Republik errichtet zu haben, zunehmend schwer.
Gerade mal 25 Millionen Euro stehen zur Verfügung, um insgesamt 1.130 Gebäude in Schuss zu halten, das reicht hinten und vorne nicht, um mehr zu machen als das Nötigste: Man repariert, damit niemand zu Schaden kommt, achtet auf den Brandschutz und erfüllt die gesetzliche Auflagen.
Größere Sanierungen? Investitionen in Wärmedämmung und energiesparende Fenster? Funktionale Wünsche erfüllen? Nicht dran zu denken: Essen lebt beim Gebäudebestand von der Substanz, auch wenn hie und da Neubauten entstehen: Im Schnitt der nächsten Jahre investiert die Stadt rund 13,4 Millionen Euro pro Jahr, ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Sie haben es bei der städtischen Immobilienwirtschaft mal ausgerechnet: Um den kompletten Gebäudebestand zwischen Karnap und Kettwig binnen vier Jahrzehnten auf Vordermann zu bringen, müsste die Stadt pro Jahr das Doppelte des jetzigen Etats aufwenden: 77 Millionen Euro, und damit keiner zur Moralpredigt anhebt, sagen sie es in einer Ratsvorlage gleich lieber selbst: „nicht vorstellbar.“
Es ist eben „nicht Weihnachten“, wie Bau- und Umweltdezernentin Simone Raskob seufzend anmerkt, es geht nicht darum, eine Wunschliste abzuarbeiten, sondern darum, das Beste aus der jetzigen Lage zu machen: Wenn es schon nicht mehr Geld gibt, muss eben die Zahl der Gebäude sinken. Das müsste machbar sein – bei sinkenden Schülerzahlen (jede zweite Stadt-Immobilie ist eine Schule) und einer schrumpfender Stadt-Belegschaft. Immerhin 13 Prozent des Flächenbestandes von zuletzt 1,6 Millionen Quadratmetern sollen in private Hände wechseln, so lautet die Theorie.
In der Praxis ließ sich schon eine deutlich niedriger gehängte Hürde nicht überspringen, im Gegenteil: Weil die Stadt in Kindertagesstätten investierte, wuchs der Bestand sogar, statt zu schrumpfen. Was aber sank, war der Personalbestand in der Immobilienwirtschaft: Die muss mit zwölf Leuten weniger auskommen, jetzt sollen weitere vier gehen.
Das wäre zu verkraften, wenn man Immobilien losschlagen kann, die längst nicht mehr gebraucht werden. Doch die alte Volkshochschule oder das Berufskolleg Holsterhausen, das alte Stadtarchiv oder die Twentmannhalle sind Mahnmale dafür, dass Verkaufenwollen noch lange nicht Verkaufenkönnen bedeutet.
Baudezernentin Raskob fordert deshalb ein Umdenken in der Stadt, einen „Mentalitätswechsel“, dass die Leute aus der Immobilienabteilung und die Bauten nicht nur als Dienstleister angesehen werden, sondern eine stärkere Position bekommen: Egal, ob im Sport oder der Kultur, bei Schule oder Soziales – „wir wollen, dass die Immobilienfragen auf gleicher Augenhöhe berücksichtigt werden“, so Raskob. Denn auch ungenutzte Bauten kosten Geld.
Äußeres Zeichen für den Schwenk in der Immobilien-Politik könnte sein, dass die Stadt jetzt viel Geld für den Abriss eigener „Schrottimmobilien“ in die Hand nehmen will: Rund fünf Millionen Euro werden im Jahresabschluss eingestellt, damit ließe sich etwa die alte VHS und das Jugendzentrum und vielleicht auch noch das Kutel in Heidhausen dem Erdboden gleich machen. Vorher schon macht das einstige Spaßbad „Oase“ den Anfang.
Raskob ist überzeugt, dass sich auf diese Weise eher Vermarktungserfolge erzielen lassen – obwohl ein auf Investoren abgewälzter Abriss sich im Kaufpreis natürlich bemerkbar machen würde: „Der Aufwand schreckt dennoch zu sehr ab.“ Vor (Innenstadt-)Brachen solle niemand Angst haben: „Berlin macht vor, wie attraktiv manche Zwischennutzung sein kann.“
Die Immobilien der Stadt
Die städtische Immobilienwirtschaft verwaltet derzeit 1.210 Gebäude – 1.130 eigene und 80 angemietete. Darin nicht enthalten sind die Gebäude der Sport- und Bäderbetriebe und von Grün und Gruga. Allein 576 städtische Gebäude sind Schulen, dahinter folgen Bauten für Jugend und Soziales (183), für V erwaltung und Betrieb (66), für die Kultur (43), für Verkehrstechnik und Brunnen (36) und für die Feuerwehr (29). Weitere 277 Gebäude sind so genannter „Allgemeiner Grundbesitz“, dazu zählen Wohn- und Geschäftshäuser genauso wie alte Kotten oder sogar ein Kiosk. Der Etat für den laufenden Unterhalt liegt bei 25 Millionen Euro, wobei 7 bis 8 Millionen für Wartung und Kleinreparaturen draufgehen. Investitionen gehen vor allem in Schulgebäude, 2013 fließen 7,2 Millionen Euro, 2014 weitere 8,7, 2015 immerhin 17,8 und 2016 sogar 20 Millionen Euro – im Schnitt 13,4 Millionen. Bis 2015 soll der Immobilien-Bestand um 13 % schrumpfen.