Essen.. Juweliere werden oft überfallen. Zur Abwechslung standen jetzt drei Juweliere aus Essen vor Gericht, weil sie einen ihrer Kunden überfallen haben sollen. Die Anklage schätzte den Vorfall als schweren Raub ein, die drei aus dem Libanon stammenden Männer sahen es als Durchsetzen einer berechtigten zivilrechtlichen Forderung.
Entrüstet zeigten die drei Angeklagten sich. Dass ausgerechnet sie angeklagt wurden, einen ihrer Kunden überfallen und mit einem Messer bedroht zu haben. Tatsächlich ließ sich der Raubvorwurf nicht erhärten. Das Landgericht Essen verurteilte das Trio aber wegen Nötigung.
Schon die Strafen der XVI. Strafkammer zeigen, dass sie die ursprüngliche Anklage wegen schweren Raubes als deutlich übertrieben einstufte. Der 62 Jahre alte Juwelier bekam eine Geldstrafe in Höhe von 400 Euro (40 Tagessätze), der 45-jährige Mitangeklagte zahlt 500 Euro (50 Tagessätze). Lediglich der 21 Jahre alte Sohn des Juweliers wurde zu einer Haftstrafe von sechs Monaten mit Bewährung verurteilt, weil er vorbestraft ist.
Goldring mit Kupferkern
Was die Anklage als schweren Raub gesehen hatte, verstehen die drei aus dem Libanon stammenden Männer als Durchsetzen einer berechtigten zivilrechtlichen Forderung. Als das vermeintliche Opfer, ein Pakistaner, am 5. Februar 2011 in ihrem Geschäft an der Altenessener Straße erschien und Goldschmuck anbot, hätten sie ihn schnell erkannt. Einen Monat zuvor wollen sie ihm für einige tausend Euro Schmuck abgekauft haben, der sich als Fälschung entpuppt habe. So habe sich bei einem Goldring gezeigt, dass sein Kern aus Kupfer bestand.
Unschöne Szenen ergaben sich, als sie ihren Kunden auf seinen angeblichen Betrug ansprachen. Rüde sollen sie ihn aufgefordert haben, ihnen ihr Geld zurückzugeben. Das Opfer erzählte später der Polizei, er sei mit einem Messer und einer Pistole bedroht sowie gewürgt worden. Ihm seien die Taschen geleert und Ausweispapiere weggenommen worden. Ein halbes Kilo Schmuck hätten die Juweliere erbeutet, bevor sie ihm die mittlerweile kopierten Ausweise zurückgaben. Schnurstracks ging er zur Polizei.
Schon die Anklage der Staatsanwaltschaft stieß auf Bedenken der XVI. Strafkammer. Sie hatte das Verfahren lediglich wegen Nötigung eröffnet, weil der Zeuge mehrfach im Ermittlungsverfahren die Unwahrheit gesagt habe. So sei auf dem Überwachungsvideo des Geschäftes zwar die gesamte Szene aufgezeichnet, von einer Pistole sei aber nichts zu sehen.
Professioneller Schmuggler
In der Hauptverhandlung vernahm das Gericht den Zeugen, der sich auch schon mal selbst als „professionellen Schmuggler“ bezeichnet haben soll, und gewann von ihm keinen besseren Eindruck. Richter Martin Hahnemann: „Der Zeuge hat uns ganz bewusst belogen. Er hat hier die Unwahrheit gesagt, wie man es selten erlebt.“ Das Motiv der Angeklagten sieht die Kammer noch als relativ ehrenwert an: „Sie wollten ihren Anspruch aus dem ersten Geschäft mit dem Goldschmuck des Zeugen als Pfand absichern.“ Beleg für diese These: die kopierten Ausweispapiere. Hahnemann: „Den Ausweis kopieren, das macht man eigentlich nicht mit dem Opfer eines Überfalls.“
Dass das Trio das Recht selbst in die Hand nahm und nicht einmal versuchte, mit Hilfe des Amtsgerichtes oder eines Anwaltes den Anspruch zivilrechtlich durchzusetzen, warf die Kammer ihm als illegale Selbsthilfe und damit Nötigung vor. Hahnemann: „Das geht zu weit.“