Über die Bedeutung von Jugendtheater muss man mit Karsten Dahlem nicht diskutieren. Es sei die erste und wenn man es falsch macht auch schon die letzte Chance, ein junges Publikum fürs Theater zu gewinnen, sagt Dahlem.

In dieser Hinsicht hat der 37-jährige Regisseur bislang vieles richtig gemacht. Sein „Moby Dick“ in Linz, seine Wedekind-Adaption von „Frühlings Erwachen“ in Oberhausen und der Essener „Angstmän“ sammelten Theater-Preise, Publikums-Lob und Festival-Einladungen. In der Casa des Essener Schauspiels nimmt er nun seine nächste Herausforderung an. Mit der Inszenierung von Janne Tellers ebenso umstrittenem wie hoch gelobtem Jugendroman „Nichts. Was im Leben Bedeutung hat“, bringt Dahlem ein Stück auf die Bühne, das Provokations-Potenzial hat.

Da hockt ein jugendlicher Existenzialist im Pflaumenbaum und bombardiert seine Mitschüler mit nihilistischen Parolen. Bis aus der Suche nach dem Sinn plötzlich eine wüste Hatz nach Bedeutung wird und das Ganze irgendwann in einer Welle von Gewalt eskaliert. Da wird einem Gitarristen der Zeigefinger abgehackt, muss ein Mädchen seine Unschuld opfern und ein Jugendlicher den Sarg des kleinen Bruders aus der Erde buddeln lassen. Starker Tobak.

Karsten Dahlem will das Warum dieser Gewaltspirale stärker in den Mittelpunkt stellen. Für ihn ist „Nichts“ ein Roman in der Tradition von „Herr der Fliegen“ oder „Die Welle“. Fanatismus, Gruppenzwang, die Angst, Außenstehender zu sein, dem will er nachspüren.

Er selbst ist auf Umwegen zum Theater gekommen. Hat erst einmal eine Ausbildung bei der Polizei begonnen, weil man in Limburg, wo er aufwächst, nicht unbedingt „Schauspieler“ in die Sparte Wunschberuf einträgt. Ein Jahr hält er durch, dann beginnt er ein Studium der Rechtswissenschaften und ist immer noch nicht richtig angekommen. Selbst nach der Schauspielausbildung an der Folkwang-Hochschule bleibt das Ausprobieren, das Spielraumerweitern seine künstlerische Konstante. Neben Theater-Engagements in Dresden, München und Wien kümmert sich Dahlem zunehmend um Regie und dreht fürs Fernsehen. Inzwischen schreibt er auch Drehbücher, „Freier Fall“, ein Film über Mobbing bei der Polizei, wird bald ausgestrahlt. Wegsehen hat für ihn keinen Sinn. Jetzt gehört seine ganze Aufmerksamkeit dem „Nichts“.