Essen. . Weil er sich von seiner Frau trennte, warf die Kirche Bernhard Schüth raus. Vor dem Menschengerichtshof in Straßburg hatte der Organist Erfolg - doch nun scheiterte er vor dem Bundesarbeitsgericht. Er wird weder seine Stelle noch eine Entschädigung erhalten.

15 Jahre ist es her, dass ihn die katholische Kirche rauswarf: Bernhard Schüth, verheirateter Vater von zwei Töchtern, hatte sich von seiner Frau getrennt; seine neue Lebensgefährtin erwartete ein Kind von ihm. Aus der Sicht seines Arbeitgebers war der Organist nun ein Ehebrecher und Bigamist und als solcher nicht mehr haltbar.

Seither kämpft Schüth gegen die Kündigung, kassierte erst Niederlagen vor deutschen Arbeitsgerichten, erzielte später Erfolge vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg: Der wies die deutsche Justiz an, in Zukunft sorgfältiger abzuwägen zwischen dem Selbstbestimmungsrecht der Kirche und der schützenswerten Privatsphäre ihrer Mitarbeiter. „Ich habe da etwas ins Rollen gebracht, das vielen kirchlichen Angestellten nutzen wird – der einzige, der nicht davon profitiert, bin wohl ich selbst“, seufzt Schüth an diesem Freitag.

Am Vorabend hatte das Bundesarbeitsgericht in Erfurt entschieden, dass der 55-Jährige trotz des Straßburger Urteils keinen Anspruch auf eine Wiederaufnahme seines Verfahrens hat. (AZ: 2 AZR 570/11). Seine Chancen auf eine Wiedereinstellung oder eine Entschädigung für entgangenen Lohn und Rente sind damit dahin.

„Ich bin der Kündigungsgrund“

Schuld ist eine Frist: Nach deutschem Recht ist die Wiederaufnahme nur für Fälle möglich, die nach dem 1. Januar 2007 entschieden wurden. Schüths Niederlage vor dem Arbeitsgericht gilt demnach als Altfall, das Urteil hat Bestand.

„Nun bleibt mir nur noch der Gang vor das Bundesverfassungsgericht“, sagt der Kirchenmusiker. Seine Zähigkeit ist wohl auch dem Umstand zu verdanken, dass die Trennung in seinem Privatleben keine Narben zurückließ. Schüth hat bis heute ein gutes Verhältnis zu seinen großen Töchtern, und die Jüngste scherzt selbst: „Ich bin der Kündigungsgrund.“ Die 15-Jährige ist jedoch zum evangelischen Glauben übergetreten, engagiert sich bei St. Stephanus in Überruhr.

Diese evangelische Gemeinde hat auch dem Katholiken Schüth eine halbe Stelle gegeben; sonst wäre die Kündigung wohl einem Berufsverbot gleichgekommen: Für Organisten gibt es naturgemäß nur wenige Betätigungsfelder. Seiner Lebensgefährtin Ulrike Muhr hat Schüths Kündigung übrigens viel Arbeit verschafft: Die Juristin hat ihn durch alle Instanzen begleitet, sich dabei einen Ruf als Expertin für kirchliches Arbeitsrecht erworben und bundesweit neue Mandanten gewonnen.

„Nicht jedes Paar hätte diesen langwierigen Rechtsstreit so zusammen durchgestanden“, glaubt Bernhard Schüth. Nun werde man auch gemeinsam nach Karlsruhe gehen. „Ich hoffe, bis zur Rente habe ich das hinter mir.“

Von dem Präzedenzfall profitieren nun andere

„Der Fall Schüth hat Rechtsgeschichte geschrieben“, das sagt sogar Christian Schäfer. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht vertritt die katholische Gemeinde St. Lambertus, bei der Bernhard Schüth bis 1997 Organist war. Dann verriet Schüths Tochter im Kindergarten: „Mein Papa wird wieder Papa.“ Bloß erwartete nicht Schüths Ehefrau das Kind, sondern seine Freundin. Die Kirche kündigte ihm, die Arbeitsgerichte gaben ihr Recht.

Erst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mahnte im Jahr 2010, die Richter hätten nicht nur das Selbstbestimmungsrecht der Kirche werten dürfen, sondern auch Schüths Recht auf Privatleben. Weil die Justiz dies versäumt hatte, verurteilte Straßburg die Bundesrepublik im Juni 2012 zur Zahlung von 40 000 Euro.

Den finanziellen Schaden durch das entgangene Gehalt und die verminderte Rente setzt Schüth viel höher an. Daher hatte er von der Kirche die Wiedereinstellung bzw. eine Entschädigung erstreiten wollen. Diesen Weg verwehrte ihm das Bundesarbeitsgericht (BAG) am Donnerstag: Sein Fall liege zu lang zurück für eine Wiederaufnahme. Schüth scheitert also an einer Frist. Dagegen profitierte ein geschiedener Chefarzt aus Düsseldorf 2011 vom Präzedenzfall Schüth: Das BAG befand, eine katholische Klinik habe ihm zu Unrecht gekündigt.