Nach Computerpannen, verspäteten Hartz IV-Zahlungen und mangelnder Erreichbarkeit durch Ausfälle der Telefonanlage droht der Pleiten, Pech und Pannen-Start der Optionskommune für die Stadt nun nicht nur peinlich, sondern auch teuer zu werden.
Zur Vorgeschichte: Die Stadt verwaltet seit 1. Januar die rund 80 000 Essener Hartz IV-Bezieher in Eigenregie. Kleinere Startschwierigkeiten im Rahmen der Umstellung hatten Sozialdezernent Peter Renzel und Jobcenter-Chef Dietmar Gutschmidt eingeräumt. Doch nun zeigen zwei verwaltungsinterne Berichte des Rechnungsprüfungsamtes (RPA), dass die Pannenserie weit tiefer reicht und der Stadt ein Defizit in Millionenhöhe bescheren könnte.
Einen entsprechenden Bericht legte das RPA der Verwaltung Ende September vor. Darin warnten die Prüfer von einem Finanzierungsrisiko für den städtischen Haushalt in Höhe von bis zu 1,6 Millionen Euro, das durch den großen Bearbeitungs-Rückstand der Anträge für das Bildungs- und Teilhabepaket drohe. Denn: Nur für die Anträge, die bis Ende des Jahres beschieden sind, gibt es Erstattungen vom Bund. Fällt die Entscheidung zu einem 2012 gestellten Antrag erst 2013 – bleibt die Stadt auf den Kosten sitzen.
Noch desaströser erscheint dieses Prüfergebnis aus September, wenn man auf einen Bericht aus dem März diesen Jahres blickt, denn bereits da hatten die Prüfer auf das drohende Finanzierungsrisiko für die Stadt hingewiesen. Den Abbau des Rückstandes hatte die Jobcenter-Spitze jedoch zwischen März und September nicht in den Griff bekommen. Auf Nachfrage ließ Peter Renzel lediglich mitteilen, man werde mehr Personal einsetzen, um den Rückstandsabbau voranzutreiben.
Unstimmigkeiten bei Barschecks
Auch die Praxis bei der Ausgabe von Barschecks monierte das Rechnungsprüfungsamt in seinem Ende September vorgelegten Bericht. Nicht ordnungsgemäß verbucht und uneinheitlich ausgestellt worden seien diese. Woraus sich ergab: „Bisher ungeklärt aus dem Scheckbestand blieben Schecks in Höhe von 165 000 Euro.“
Insgesamt waren in den ersten vier Monaten Barschecks über 630 000 Euro ausgestellt worden. „Aus diesem Scheckbestand konnten Schecks in einer Gesamtsumme von 465 000 Euro geklärt und bei der Finanzbuchhaltung verbucht werden“, so das RPA. Ein Schritt, der dringend Not tat, denn bis zur Aufklärung hatte die ohnehin klamme Stadt dem Bund bares Geld vorgestreckt – immerhin 390 000 Euro daraus waren erstattungsfähig. Unstimmigkeiten, die auch Kämmerer Lars Martin Klieve auf den Plan riefen. Zu seinen Aufgaben gehört es zu kontrollieren, ob die Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit eingehalten und die haushaltsrechtlichen Bestimmungen des Bundes eingehalten werden. Doch aufgrund der „nicht korrigierten Buchungsfehler“ sowie weiterer Probleme im Jobcenter lehnte der Stadtkämmerer es im Juli offiziell ab, den Mittelabruf beim Bund mit zu unterzeichen – übertrug diese Aufgabe vielmehr dem Jobcenter-Chef Dietmar Gutschmidt. Womit dieser allein für die Richtigkeit der Forderungen an den Bund gerade stand. Und das, obschon das RPA in seinem Bericht folgendes festhielt: „Im Rahmen der durchgeführten Prüfungen wurden teilweise erhebliche Mängel festgestellt“, schrieben die Prüfer und weiter: „Die Blankoscheckvordrucke sind nicht nummeriert. Es gab in den beiden geprüften Jobcenter-Standorten keine Bestandsleisten, die dokumentierten, wie viele Scheckvordrucke an die Standorte geliefert wurden.“
Auch hierzu ließ der Sozialdezernent über das Presseamt mitteilen, man werde Unstimmigkeiten lückenlos aufklären.