„Als Friseuse ist man auch ein Stück weit Seelsorger“, sagt Angelika Lassack. Vertrauen und Verschwiegenheit seien für ihren Beruf genauso wichtig wie die geschickte Hand und ein Gespür für die Wünsche der Kunden. Die Meisterin verdient mit Haareschneiden ihr Brot, betreibt seit 32 Jahren den Salon „La Belle“ an der Moltkestraße. Jeden Tag, mit Ausnahme des Montags, steht die rotgelockte 59-Jährige knapp acht Stunden in ihrem klassisch eingerichteten Laden, „und ich arbeite immer noch total gerne“, sagt sie.

Dabei wollte Angelika Lassack eigentlich etwas ganz anderes werden: Ein Architekturstudium war ihr Traum. „Leider reichte das Geld damals nicht und so suchte meine Mutter mir eine Ausbildungsstelle.“ Da das Friseurhandwek auch viel mit Kreativität zu tun hat, versöhnte sie sich schnell mit der neuen Lebenssituation, machte früh ihre Meisterschule. Und übernahm 1980 den einstigen „Barbershop“ an der Moltkestraße, einen exklusiven Herrenfriseur, der noch Gustav Heinemann zu seinen Kunden zählte. Damals, so erzählt sie, gab es noch „richtige“ Geschäfte rund um die Haltestelle Moltkestraße: Zwei Metzger, einen Blumenladen, einen Gemüse- und Obstladen und einen Buchladen: „Ich vermisse sie alle“, sagt Lassack. Nun gibt es in dem Viertel inzwischen Friseure wie Sand am Meer, von denen nicht wenige um ihr Überleben kämpfen. „Ich beneide die jungen Friseure nicht, die sich heute selbstständig machen“, sagt sie. Zu ihrem Glück hat sie eine treue Stammkundschaft, die auch nach drei Jahrzehnten zum Waschen, Schneiden, Färben und Legen kommt. Einige gehören noch zu den ehemaligen Tanzturniermannschaften, die Angelika Lassack in den Achtzigern betreut hat. „Da musste jede Strähne perfekt sitzen“ erinnert sie sich. Ihr Überleben verdankt die Essenerin auch ihrem Geschäftssinn: „Ich habe mich früh auf Farbe spezialisiert.“ Unbezahlbar auch die Idee, günstige Mode und Taschen anzubieten. „Damit verdiene ich mir die Wurst fürs Brot.“ Nur einmal in ihrer Berufszeit war sie kurz davor, aufzugeben: „Zwei Jahre lang wurde die Haltestelle umgebaut. Das hat mir fast das Genick gebrochen.“

Wie lange sie noch ihren alteingesessenen Laden führen wird, weiß Angelika Lassack nicht. Getreu ihrem Lebensmotto „Nur wer sich bewegt, kommt weiter“ kann sie sich mit einem beruflichen Stillstand so gar nicht anfreunden. „Meine Arbeit macht eben einen großen Teil meines Lebens aus.“ Die wenige Freizeit, die ihr bleibt, ist dabei fest verplant: Auf sie wartet eine pflegebedürftige Mutter, ein großer Freundeskreis und Hündchen Stella.