Jammern gehört bekanntlich zum Handwerk. Aber Gerd Peters will es gar nicht klein reden: Ja, sagt der Kreishandwerksmeister, das vergangene Jahr und das erste Halbjahr 2012 sind für viele Essener Handwerksbetriebe gut gelaufen. Die große Nachfrage nach Immobilien, das steigende Interesse an energetischer Sanierung, Restarbeiten aus dem auslaufenden Konjunkturpaket II - davon profitierte vor allem das Baugewerbe. Nach einer Hochrechnung der Handwerkskammer Düsseldorf dürfte der Umsatz der Essener Handwerksunternehmen im vergangenen Jahr um 240 Millionen Euro auf 3,8 Milliarden gestiegen sein.
Doch Gerd Peters schiebt das schnelle Aber hinterher: Die Aussichten seien mittlerweile düsterer geworden. Galoppierende Energiepreise und steigende Materialkosten auf der einen; offene politische Fragen auf der anderen Seite ließen die Handwerkerschaft in eine unsichere Zukunft blicken. „Es ist unter den Kollegen eine gewisse Zurückhaltung zu spüren“, sagt es Peters mit seinen Worten.
Und so drängt der Kreishandwerksmeister beispielsweise darauf, dass sich die Politik endlich zu einer steuerlichen Förderung der energetischen Sanierung durchringt. Das würde gerade dem Bau-Handwerk helfen. Auch die Unsicherheit, wie es mit dem Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) weiter geht, ob es für Investoren dann noch lukrativ ist, sich Photovoltaik-Anlagen aufs Hausdach zu schrauben, treibt manchem Handwerksbetrieb aus dem Elektrogewerk die Sorgenfalten auf die Stirn.
Aufträge gehen gen Osten
Denn eines stellt Peters auch klar: Von dem Boom, den Essen derzeit besonders im Wohnungsbau erlebt, haben die ansässigen Handwerker kaum etwas. „Die Großprojekte werden alle über Generalauftragnehmer abgewickelt. Und bei deren Auftragsvergaben haben wir keine Chance“, sagt Peters, der selbst Inhaber der Firma „Elektro Hans Peters“ in Rüttenscheid ist. Die Aufträge gingen vornehmlich an Unternehmen in Ostdeutschland oder Osteuropa. „Es wäre natürlich wünschenswert, wenn das Essener Handwerk mehr profitieren würde“.
Vor allem bei der Auftragsvergabe der öffentlichen Hand wünscht sich Peters, dass mehr Aufträge in der Stadt blieben. Ihm zufolge wandern derzeit rund 40 Prozent der Aufträge ab. Durch das Tariftreue- und Vergabegesetz sei es noch schwieriger geworden. Denn die Schwellenwerte für die freihändige Vergabe seien darin gesenkt worden. Entsprechend mehr Aufträge müssen in den Ausschreibungswettbewerb, bei dem die Essener Handwerksunternehmen allerdings häufig nicht mithalten könnten.
Ruhrgebiet im Tariftreuegesetz benachteiligt
Dabei ist den Handwerkern laut Peters besonders ein Dorn im Auge, dass das Ruhrgebiet im Tariftreuegesetz des Landes als binnenmarktrelevante Region eingestuft wurde - anders als die Stadt Köln beispielsweise. Das bedeutet: In Essen und der Region gelten nochmals abgesenkte Schwellenwerte bei der Veröffentlichungspflicht von geplanten Bauvorhaben. „Das ist für uns eine überaus unbefriedigende Situation.“