Essen. Tanja Ubländer sollte die neue Mehrgenerationen-Einrichtung des VKJ leiten, doch die 33-jährige zweifache Mutter verstarb. Jetzt trägt das Haus ihren Namen.

Als sie am 24. Mai 2009 ihre zweite Tochter Mia auf die Welt brachte, hatte Tanja Ubländer noch 87 Tage zu leben. Die damals 33-Jährige hatte noch viel vor, beruflich wollte sie das Mehrgenerationenhaus des Vereins für Kinder- und Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten (VKJ) an der Märkischen Straße in Freisenbruch führen. Wenn die Einrichtung im kommenden März eröffnet, wird Tanja trotzdem irgendwie dabei sein: Das Wohnprojekt wird „Tanja-Ubländer-Haus“ heißen – eine Geschichte, in der sich mehrere Kreise schließen.

„Dass meine Tochter... Dass sie so einen bleibenden Eindruck..“ Gabriele Ubländer stockt immer wieder, während sie sich das Plexiglasschild anschaut, das einmal die Fassade des Hauses Märkische Straße 25 zieren wird und auf dem der Name ihrer Tochter verewigt ist. Sie holt tief Luft – das Unfassbare liegt erst 39 Monate zurück – ist aber gefasst. „Tanja hätte die Idee sicher toll gefunden – nur eben nicht für sich, dafür war sie zu gerne im Hintergrund“, so die Mutter.

Ihre Spuren hat Tanja Ubländer dennoch hinterlassen, und einen starken bleibenden Eindruck. „Menschlich und beruflich hat sie uns sicherlich stark mitgeprägt“, erläutert VKJ-Geschäftsführer Oliver Kern. Er hat mit Tanja genau hier, an der Märkischen Straße, als damaliger Kita-Leiter ihr Vorstellungsgespräch geführt. Nur ein paar Kilometer entfernt, in Horst, war die Frau, die damals eine Stelle für ihr Anerkennungsjahr suchte, groß geworden. Um die Ecke ist sie mit Vater Herbert Schlitten gefahren. Hier hat sie den „richtigen“ Einstieg ins Berufsleben gefunden.

„Da ist erstmal die Welt zusammengebrochen"

Natürlich klappte es mit der Märkischen Straße. „Das passte so gut zu ihr, das Arbeiten in sozialen Brennpunkten, und daran ist sie gewachsen“, erläutert Gabriele Ubländer. „Handfest war sie“, erinnert sich Kern, „und weiter als viele in ihrem Alter“.

Dann traf sie ihre große Liebe Andreas, mit Tochter Lotte wurden sie zur richtigen Familie, alles lief super. Mit der zweiten Tochter sollte das Glück komplett werden. Und für die Zeit nach der Schwangerschaft stand der Plan auch schon, die Rückkehr an die Märkische. Doch dann, direkt nach der Entbindung, kam die schreckliche Diagnose: ein Tumor. „Da ist erstmal die Welt zusammengebrochen“, erinnert sich Witwer Andreas Bollmann. Zehn Jahre lang hatte er mit Tanja sein Leben geteilt. Nun musste er sich schnell hochrappeln. „Ich habe erstmal die Elternzeit für ein Jahr genommen“, berichtet der 45-Jährige.

Die Erinnerung an Tanja Ubländer wach halten 

Ganz langsam, Schritt für Schritt, wurde es nach Tanjas Tod wieder besser. Und irgendwann wurde die Idee geboren, das neue Haus nach ihr zu benennen – ungewöhnlich für den VKJ, der sonst kindgerechte Namen verwendet. Geschäftsführer Kern: „Ich wollte, dass die Erinnerung wach bleibt.“ Und dass kein „hohes Tier“ den Namen liefern würde, sondern jemand von der Basis – das war beim Verein, der sich sozial Benachteiligte kümmert, eigentlich klar.

Am Anfang herrschten in der Familie noch ein bisschen gemischte Gefühle, die legten sich aber schnell. „Ich musste mir mit meiner älteren Tochter das Haus sofort ansehen gehen“, berichtet Vater Andreas. Tanjas Mutter Gabriele ergänzt: „Es ist schön, dass unsere Tochter auf diese Weise weiterwirkt. Darauf sind wir sehr stolz.“ Angst vor der offiziellen Einweihung hat sie nicht, auch wenn Gefühle wieder hochkommen werden. Und auch für Andreas wurde die Geschichte mit dem VKJ rund: Nach seiner Elternzeit hat der gelernte Erzieher ebenfalls beim Verein angeheuert.

Modellprojektes Märkische Straße 25-29 in Freisenbruch

Das zukünftige „Tanja-Ubländer-Haus“ ist Teil des Modellprojektes Märkische Straße 25-29 in Freisenbruch, das der Verein für Kinder- und Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten (VKJ) mit Hilfe des Allbau in der ehemaligen Obdachlosenunterkunft realisiert. Bereits ihren Betrieb aufgenommen hat die Kita „Kleine Füße“ in den Hausnummern 27 und 29.

Im „Tanja-Ubländer-Haus“, Märkische Straße 25, werden Alt und Jung unter einem Dach wohnen. Drei Senioren sollen hier in einer Wohngemeinschaft zusammen leben. Ergänzt wird das Ganze mit vier Mutter/Vater-Kind-Wohnungen für Alleinerziehende in sozialen Nöten. Sie sollen eine absehbare Zeit hier verbringen und werden z.B. darin unterstützt, trotz Kind Schulabschluss oder Berufsausbildung zu schaffen.