Noch ganze drei der 20 größten deutschen Städte werden von der CDU regiert - alle anderen von sozialdemokratischen und neuerdings immer öfter auch grünen Oberbürgermeistern. Essen bildet da bekanntermaßen keine Ausnahme, und obwohl die CDU hier durch ihre Bündnispolitik im Rat noch relativ gut im Spiel ist, ließ auch in Essen die krachende Niederlage bei der Kommunalwahl 2009 aufhorchen. Versteht die CDU die Großstädte nicht, hat sie falsche Themen? Oder vielleicht die falschen Politiker-Typen? Fragen, die heftig diskutiert werden, seit sich der CDU-Kandidat in Stuttgart dem Grünen Fritz Kuhn beugen musste.
„Die CDU muss sich den Lebensrealitäten stellen, wie sie in der Stadt vorherrschen“, sagt Essens Parteichef Franz-Josef Britz. Natürlich gebe es in Essen noch klassische Familien, aber eben auch relativ viele Single-Haushalte, Alleinerziehende mit dringendem Kita-Bedarf, gleichgeschlechtliche Milieus und manches mehr am individualistischen Lebensentwürfen - „dass wir als CDU da eine Zeitlang einiges verpasst haben, will ich gar nicht bestreiten“, so Britz selbstkritisch. Allerdings müsse die Partei auch ihre Traditionswähler, darunter auch Konservative, stets versuchen mitzunehmen, „und diesen Spagat hinzukriegen, ist sehr schwierig“.
Mancher meint sogar: Er ist nur um den Preis weiterer Stimmverluste vor allem zugunsten der Grünen durchhaltbar. Britz verweist aber auf das Alternativlose dieser Strategie - und auf Themen, wo gerade die CDU in Essen früh über ihren Schatten gesprungen sei, ohne dass es die Partei zerrissen hätte. Er nennt etwa die faktische Aufgabe der Hauptschule - der Schulkompromiss im Land kündigte sich da allerdings schon an -, oder die Hilfe für Drogenabhängige durch die Akzeptanz von „Druckräumen“.
Britz räumt auch ein, dass die CDU im Gegensatz zu früher Mühe habe, sich in den Milieus der Stadt zu verankern. Sein persönliches Rezept: Unter die Leute gehen. In Vereinen und Verbänden müsse man vielfach erst wieder bekannt machen, dass es da eine Partei gebe, die sich kümmere. Wobei der CDU-Chef einräumt: Der klassische Kümmerer früherer Zeiten sei in der Lokalpolitik generell rar geworden. „Da fehlt vielen einfach die Zeit“, und da gehe es der Konkurrenz im übrigen auch nicht besser.
„Die Essener CDU behauptet, die Stadt zu führen, hat aber selbst keine profilierten Persönlichkeiten,“ meint Essens SPD-Chef Dieter Hilser. Stuttgart habe den Beweis geliefert, dass die CDU in städtischen Milieus nicht mehr gewinnen könne. Was sich Hilser verkniff, ist der Hinweis, dass die SPD nur als Mehrheitsbeschaffer für Kuhn eine Rolle spielte und die eigene Kandidatin im ersten Wahlgang nur knapp im zweistelligen Bereich landete.