„Es waren ganz andere Zeiten“, sagt Willi Narewski nicht nur einmal. Wenn man 98 Jahre er- und überlebt hat, verwundert das nicht. Zu Kriegszeiten wurde er 1914 im ehemals ostpreußischen Tilsit geboren, machte zu Stummfilmzeiten eine Ausbildung zum Filmvorführer und landete nach dem Zweiten Weltkrieg und amerikanischer Gefangenschaft in Essen, wo er die Glanzzeiten des Kinos im Hintergrund mitgestaltete. Fast ein Vierteljahrhundert war Willi Narewski Technischer Direktor der Lichtburg.

Willi Narewski wollte nicht unbedingt Filmvorführer werden. Aber sein Schuldirektor vermittelte ihm die Lehre mit den Worten: „Da bist du wenigstens untergebracht.“ Drei Jahre lernte er, mit dem noch neuen, gefährlichen Medium Film umzugehen, musste sogar eine staatliche Prüfung ablegen: „Damals gab es noch den Nitrofilm, der leicht in Brand geraten konnte“, erinnert sich der Mann, dessen Weg von pragmatischen Entscheidungen geprägt war. Auch die ins Ruhrgebiet zu kommen, gehörte dazu.

Filmtheater mitgestaltet

Er arbeitete nach Kriegsende im eleganten Münchner Filmcasino als zweiter Empfangschef. Ein Jahr lief dort exklusiv „Vom Winde verweht“. „Ein bisschen schmalzig“, fand ihn Narewski. Doch Kinobetreiber aus ganz Deutschland reisten an, sahen und kauften das Liebesepos für ihre Filmtheater ein. Auch Heinrich Jaeck, der in Essen mit Erich Menz die Lichtburg und diverse andere Kinos unterhielt und ihm einen Posten als Technischer Direktor anbot.

Als Willi Narewski Anfang der 1950er Jahre mit seiner Frau Emmi nach Essen zog, erwartete ihn Aufbauarbeit. „Der Wunsch der Bevölkerung, unterhalten zu werden, war groß. Wir konnten die Massen kaum bewältigen“, berichtet der 98-Jährige. So wurde ein Kino nach dem anderen gebaut. Mit seinem Wissen beriet er Architekten bei der Film-Palette, beim Atrium oder beim Astra. Letzteres entstand im Hotel Vereinshaus, heute Essener Hof, in nur drei Monaten. „Damals wurde schneller gearbeitet“, sagt er.

In neun Kinos von Menz und Jaeck war Willi Narewski für die Technik und vieles mehr zuständig. Er stellte Filmvorführer ein, kümmerte sich um die Bühne, die Beleuchtung oder das Konzept für das Doppelkino Atelier, das neben dem Lichtburgsaal eingerichtet wurde. Wenn ein Film für den straffen Vorstellungsplan zu lang war, musste er ihn kürzen. Auch gab es immer etwas zu erneuern: „Die Filmformate, der Ton und die Projektoren änderten sich. Wir hatten die erste Halbautomatik eingebaut. Da kam sogar die BBC vorbei“, erzählt Narewski.

Stars wie Peter Alexander oder Caterina Valente, die das Vorzeigekino bis zu 50 Mal im Jahr besuchten, führte er nach den Premieren vor die Leinwand auf die Bühne. „Sie hatten alle Lampenfieber und ich habe sie beruhigt.“ Auch bekam er hautnah mit, als sich Marika Rökk bei einer Tanzdarbietung durch ein Missgeschick „einen Splitter in den Allerwertesten“ zuzog. „Da gab es Krach.“

1977 ging Willi Narewski mit 63 in Ruhestand. „Meine Eltern und meine Brüder starben im Alter von 64 bis 68 Jahren, und ich wollte noch zwei, drei Jahre in Ruhe haben“, erklärt er das frühe Ausscheiden. „Da habe ich mich wohl verrechnet.“ Viele Jahre mit seiner Frau waren ihm vergönnt, Reisen nach Spiekeroog, Island, Norwegen und Russland, wo seine alte Heimat Tilsit heute liegt.

Lebenslust ist ungebrochen

„Ein paar schöne Monate und Reisen“ wünscht sich Willi Narewski noch. Seine Lebenslust ist ungebrochen. Dass er vor kurzem aus vernünftigen Gründen von seiner Wohnung in das Waldthausen-Stift umgezogen ist, ändert nichts daran. Die Augen und die Beine sind nicht mehr so gut. Aber es reicht für einen Besuch in der Philharmonie, im Ballett oder in der Lichtburg: „Ich war immer neugierig und bin es noch.“