Die Hilfsorganisation „Cap Anamur - Deutsche Not-Ärzte e.V.“ mit Sitz in Köln wurde 1979 von Christel und Rupert Neudeck gegründet; zu ihren Mitstreitern zählte auch der Schriftsteller Heinrich Böll. Sie wollten dem Flüchtlingselend auf dem südchinesischen Meer nicht tatenlos zusehen: Dort trieben Tausende vietnamesische Flüchtlinge auf seeuntüchtigen, überladenen Booten, zahllose Menschen kamen ums Leben. Der kleine Kölner Verein charterte den Frachter „Cap Anamur“ (der der Organisation später den Namen gab), rettete Tausende Boat People – und wurde schlagartig berühmt.
Jahrzehntelang arbeitete Cap Anamur in Kriegs- und Krisengebieten, an denen kein vergleichbares Medieninteresse bestand: Hier wurden Schulen und Kliniken aufgebaut, Ärzte und Hebammen geschult, Straßenkinder ausgebildet. „Wir versuchen, die Lage vor Ort zu verbessern, damit die Menschen nicht aus ihrer Heimat flüchten müssen“, sagt der neue Vorsitzende von Cap Anamur, Werner Strahl.
Mediale Aufmerksamkeit zog die Organisation viele Jahre später mit einem fehlgeschlagenen Einsatz für Flüchtlinge auf sich: 2004 nahm der damalige Vorsitzende Elias Bierdel mit der zweiten Cap Anamur vor der afrikanischen Küste 37 Flüchtlinge auf. Es kam zum wochenlangen Nervenkrieg mit den italienischen Behörden, die das Schiff schließlich zwar auf Sizilien landen ließen, aber Bierdel und zwei Crew-Mitglieder festnahmen und das Schiff beschlagnahmten. Die meisten Flüchtlinge wurden abgeschoben, die Cap Anamur wurde verkauft.
Werner Strahl weist darauf hin, dass Bierdel und die Mitangeklagten nach fünf Jahren im Oktober 2009 von einem italienischen Gericht freigesprochen worden. Auch habe er bis heute tiefes Verständnis für die afrikanischen Flüchtlinge: „An der ungerechten Verteilung in der Welt hat sich ja nichts geändert, und die Familien schicken ihre Klügsten nach Europa, damit sie dort ihr Glück machen. Diejenigen, die im Zweiten Weltkrieg nach Amerika gelangten, haben wir später beglückwünscht.“ Doch es bleibt die Erkenntnis, dass sich Cap Anamur mit dem Einsatz überhoben haben könnte. „Wir können die Situation auf dem Mittelmeer nicht lösen, das ist Sache der Politik. Wir tun alles, um die Lage in den betroffenen Länder zu verbessern.“