Bevor Investoren oder Projektentwickler für den Bau einer Büroimmobilie auch nur einen Stein bewegen, wollen sie sicher sein, dass auch potente Mieter einziehen. Eine Vermietungsquote von 60 Prozent vor Baubeginn gilt als durchaus üblich in der Branche. Da überrascht, dass die Europa-Center AG einen anderen Weg geht, auch in Essen. An der Kruppstraße, Ecke Friedrichstraße feierte das Hamburger Unternehmen gestern Richtfest für einen weiteren Bürobau mit immerhin 14 500 Quadratmetern Bruttogeschossfläche, ohne dass bislang auch nur ein einziger Mieter einen Vorvertrag unterzeichnet hätte, wie Vorstandsvorsitzender Georg Brendel anlässlich der Feier hervorhob. „Wir glauben an diesen Standort“, sagte Brendel ganz zur Freude von Oberbürgermeister Reinhard Paß unter den geladenen Gästen. Und offensichtlich verfügen die Hanseaten über einen langen Atem.

Ihre Erfahrungen hat die Europa-Center AG in Essen bereits gemacht, als sie vor einem Jahrzehnt gleich nebenan einen ersten Bürokomplex mit 26 500 Quadratmetern errichtete. Eine gefühlte Ewigkeit stand der Bau leer. Heute zählen die WAZ-Mediengruppe, die Krankenkasse Barmer und die Fachhochschule für Ökonomie und Management (FOM) zu den Mietern. An der Friedrichstraße wirbt ein großflächiges Plakat mit dem Slogan „Freiräume für Firmensitze“.

Verkehrsgünstige Lage

Nach den Worten von Vorstand Georg Brendel zählt es zum Geschäftsprinzip der Europa-Center AG ausschließlich in so genannte 1-b-Lagen zu investieren. Für potenzielle Mieter seien solche Lagen aufgrund geringerer Preise besonders interessant. Brendel denkt an Unternehmen, die durchaus an repräsentativen Adressen residieren können, die ganze Abteilungen wie Buchhaltung oder Rechnungswesen, aber gerne an günstigere Standorte auslagern. Der Standortvorteil in Essen: Von der 1-b-Lage an der Kruppstraße bis zum Hauptbahnhof sind es nur ein paar Schritte. Die günstige Verkehrsanbindung gilt als Plus. Letztere dürfte sich noch deutlich verbessern, wenn voraussichtlich innerhalb der kommenden fünf Jahre der Berthold-Beitz-Boulevard bis zur Hans-Böckler-Straße verlängert wird, wie Planungsdezernent Hans-Jürgen Best hervorhob. „Die Anfahrt aus Richtung Norden wird dann leichter.“ Best ist überzeugt, dass sich im Umfeld Chancen eröffnen. 2015 zieht die WAZ-Mediengruppe ins Universitätsviertel am Berliner Platz. Potenziale für die Entwicklung von Gewerbeflächen in unmittelbarer Nähe der A 40 gelte es dann zu nutzen, so Best.

Die Europa-Center-AG wäre vorbereitet. Ein dritter Bauabschnitt ist in Planung, soll aber erst realisiert werden, wenn der 2. Bauabschnitt, auf dem seit gestern der Richtkranz weht, voll vermietet ist. Brendel: „Wir sind ein konservativer Investor.“