Die Zahl der neu gebauten Wohnungen ist in Essen trotz eines anhaltenden Bevölkerungsrückganges erstmals seit Jahren wieder gestiegen. Dies geht aus der aktuellen Statistik des Landes hervor. Demnach wurden 2011 zwischen Karnap und Kettwig 612 Wohnungen gebaut. Diese Zahl wurde zuletzt im Jahr 2006 mit 831 Wohnungen übertroffen. Die Zahl der fertiggestellten Wohngebäude stieg 2011 auf 291 und lag damit wieder auf dem Niveau von 2009.

Steigende Kaufpreise

Die statistische Auswertung bestätigt damit jenen Eindruck, der sich angesichts zahlreicher Bauvorhaben aufdrängt: Im Uni-Viertel am Berliner Platz drehen sich die Baukräne, in Rüttenscheid oder am Baldeneysee in Kupferdreh, um nur einige Beispiele zu nennen. Der Wohnungsbau erlebt derzeit augenscheinlich einen Boom.

Nach Einschätzung von Mieterschutzvertretern geht dieser Trend allerdings an den Bedürfnissen breiter Bevölkerungsschichten völlig vorbei. Es entstünden vor allem „Luxuswohnungen“, kritisiert Siw Mammitzsch, Geschäftsführerin der Mietergemeinschaft Essen.

Tatsächlich registriert der Gutachterausschuss für Grundstücksfragen bei der Stadt Essen seit Jahren steigende Kaufpreise für Neubauten; 2011 lag der Quadratmeterpreis durchschnittlich bei 3251 Euro. Immobilienmakler haben nicht einmal Schwierigkeiten, schicke Lofts für Millionen an den Mann zu bringen. Neu gebaute Mietwohnungen „unter sieben Euro pro Quadratmeter“ seien hingegen kaum zu bekommen, bemängelt Mieterschützerin Siw Mammitzsch. Gibt es beim Wohnungsbau also eine soziale Schieflage? Der Blick in den öffentlichen Fördertopf scheint dies zu bestätigen: Zwölf Millionen Euro hat das Land 2012 für den Bau von Sozialwohnungen bereit gestellt. Mangels Nachfrage von Investoren hat die Stadt die Hälfte zurück überwiesen. Öffentlich gefördert wurden gerade einmal 60 Wohnungen. Rudolf Gruber, Abteilungsleiter im Amt für Stadterneuerung und Bodenmanagement, warnt aber vor voreiligen Schlüssen. 2011 flossen 14,4 Millionen Euro in den Bau von 190 Sozialwohnungen, ein Jahr zuvor waren es 9,9 Millionen für 120 Wohnungen.

Nach Einschätzung von Allbau-Chef Dirk Miklikowski sei Essen „keine Stadt, die dringend Sozialwohnungen braucht“, anders als etwa in Köln oder Düsseldorf, in denen Wohnraum knapp sei. An bezahlbaren Wohnungen herrsche in Essen indes kein Mangel. „Es sei denn, man stellt die Qualitätsfrage“, räumt Miklikowski ein und weiß sich darin einig mit Mieterschützerin Siw Mammitzsch. Nachgefragt werden nicht nur große Wohnungen für Familien, sondern altengerechte Wohnungen. Vor allem nach letzteren dürfte der Bedarf angesichts der Bevölkerungsentwicklung weiter steigen.