Essen-Rüttenscheid. Die 77-jährige Diakonisse Brigitta Schröder kümmert sich seit Jahren ehrenamtlich um Menschen mit Demenz. Ausschlaggebend war der Schlaganfall und die anschließende Demenz einer Freundin, die Schröder “die Türen für Menschen mit Demenz öffnete“, wie sie sagt. Darüber hat sie auch ein Buch geschrieben.
Hätte Lebensfreude ein Gesicht, sie würde Brigitta Schröder wohl ziemlich ähnlich sehen. Obwohl sie an diesem sonnigen Tag vor dem Museum Folkwang vollen Ornat trägt, lehnt die Diakonisse die Bezeichnung „Schwester“ ab. „Ich möchte den Menschen auf Augenhöhe begegnen“, sagt die 77-Jährige und erklärt damit gleichzeitig den Grundsatz ihrer ehrenamtlichen Arbeit für Menschen mit Demenz.
Anfang der Siebziger kommt Schröder aus dem Diakoniewerk Neumünster in der Schweiz nach Deutschland und arbeitet hier lange im Gesundheitswesen. Der Schlaganfall und die anschließende Demenz ihrer guten Freundin Martha Soltek bringt Ende der Neunziger eine Wende in ihr Leben. „Ich zog zu Martha nach Rüttenscheid. Sie hat mir die Türen für Menschen mit Demenz geöffnet“, sagt Brigitta Schröder heute. Die Betreuung ihrer Freundin sei eine Herausforderung gewesen. „Natürlich hat sie mich auch genervt“, sagt Brigitta Schröder mit einem herzlichen Schmunzeln, „aber ich habe auch gelernt, die Bedürfnisse dementer Menschen zu erkennen.“ Mit sanften Berührungen, alten Fotos und Geschichten könne man sich Zugang verschaffen in die Welt des Vergessens.
„Menschen mit Demenz sind keine Kinder, haben aber ähnliche Bedürfnisse“
Den treffenden Titel „Blickrichtungswechsel“ trägt ihr Buch, in dem sie Anregungen gibt, Menschen mit Demenz wertschätzend zu begleiten. „Man muss sich diese Menschen vorstellen wie Bäume. Stamm und Wurzeln sind noch völlig intakt, die Krone schwindet aber langsam“, sagt Schröder. Das Buchcover gestaltete übrigens ihre Freundin Martha Soltek selbst. Malen, singen, tanzen, herumalbern, lachen: „Menschen mit Demenz sind keine Kinder, haben aber ähnliche Bedürfnisse“, sagt Schröder.
Mit ihrem Buch, von dem mittlerweile mehr als 2000 Stück verkauft wurden, unzähligen Vorträgen und mit ihren Weiterbildungskursen zu „Alltagsbegleitern“ möchte sie dabei vor allem eines erreichen - Menschen mit Demenz nicht länger auszugrenzen. Warum darf der Alte mit Demenz nicht mit Fingern essen, das Kind aber schon? „In Afrika gelten Menschen mit Demenz als Halbgötter, bei uns werden sie mitleidig belächelt“, kritisiert Brigitta Schröder. Dabei möchte sie nicht missionieren, sondern vielmehr einen Stein ins Wasser werfen, um für einen humanen Umgang zu sensibilisieren. Etwa mit eigens auf Menschen mit Demenz abgestimmten Gottesdiensten und Lesungen (siehe Info).
Ob sie selbst Angst hat, irgendwann einmal an Demenz zu erkranken? „Wissen Sie“, sagt Brigitta Schröder, „noch bin ich Herrin meines Handelns. Angst ist ein schlechter Berater und entmutigt.“