Die Einreisewelle der Roma aus Serbien und Mazedonien reißt nicht ab. Tag für Tag kommen 300 bis 350 Menschen in den Erstaufnahmestellen in Dortmund und Bielefeld an, die inzwischen aus allen Nähten platzen. Um die Einrichtungen zu entlasten, muss jetzt auch Essen kurzfristig mehr Asylbewerber aufnehmen. Offenbar brennt’s: Ein entsprechendes Hilfeersuchen der Bezirksregierung ging am Mittwoch per E-Mail auf der Leitstelle der Essener Feuerwehr ein.

Plötzlich sieht sich die Stadtspitze zu einem Entschluss gezwungen, der einer gewissen Dramatik nicht entbehrt: Da die zehn Übergangsheime zwischen Karnap und Kettwig mit knapp 600 Menschen bereits belegt sind (die NRZ berichtete), wird zum ersten Mal seit über 20 Jahren wieder eine Turnhalle für Asylbewerber hergerichtet. Bei Bedarf – und den scheint niemand anzweifeln zu wollen – könnten die ersten Familien voraussichtlich bereits ab kommenden Mittwoch auf dem Gelände der ehemaligen Hauptschule an der Lohstraße in Bedingrade untergebracht werden.

Platz für bis zu 240 Menschen

Die Halle bietet bis zu 60 Personen Platz. Weitere 180 Menschen könnte das Hauptgebäude der früheren Schule aufnehmen, das über 18 Klassen, Nebenräume und Lehrerzimmer verfügt. Zudem steht dort eine voll ausgestattete Lehrküche für die Essensausgabe zur Verfügung.

Nach Einschätzung der Stadt dauert es zwei bis drei Wochen, um das Haus, das seit diesem Sommer leer steht, so weit instand zu setzen, dass eine Belegung auch unter Brandschutzaspekten zu verantworten wäre. Gestern hat es einen ersten Ortstermin mit der Feuerwehr gegeben. Das Deutsche Rote Kreuz wird dort in den nächsten Tagen Feldbetten aufbauen und die ankommenden Menschen mit Essen versorgen.

Nach Auskunft der Stadt ist der Standort Lohstraße der einzige, der unter „sozialräumlichen und wirtschaftlichen Aspekten“, wie es gestern Abend in einem Schreiben aus dem Büro des Oberbürgermeisters an die Ratsfraktionen hieß, für eine kurzfristige behelfsmäßige Unterbringung einer größeren Zahl von Asylbewerbern in Frage kommt. Dort sollen die Menschen direkt nach ihrer Einreise eine Zuflucht finden. Und zwar noch vor der sonst üblichen Ersterfassung in den Einrichtungen in Dortmund und Bielefeld. In Bedingrade werden sie wenige Tage oder bis zu zwei Wochen bleiben, um danach in den zentralen Einrichtungen des Landes untergebracht zu werden, bevor man sie nach bestimmten Aufnahmeschlüsseln wieder auf die Kommunen verteilt.

Zur Zeit scheint jedoch niemand in Stadt und Land damit zu rechnen, dass der Strom der Roma, die visafrei als Touristen aus Serbien und Mazedonien einreisen, unvermittelt wieder abreißen könnte. Die Stadt geht jedenfalls davon aus, dass es bis Ende des Jahres noch enger werden könnte. Der Bedarf werde so lange bestehen, bis die Zahl der neu einreisenden Asylbewerber wieder rückläufig ist. Das könnte frühestens Ende Dezember der Fall sein, lautet die Einschätzung. Erschwerend kommt hinzu, dass es der massive Zustrom unmöglich macht, die Asylanträge in dem üblichen Zeitraum von etwa drei Monaten zu bearbeiten. In der Regel sind die Roma danach ausreisepflichtig. Inzwischen gehen Experten davon aus, dass es bis zu einem Jahr dauern könnte, bis über die Anträge entschieden ist.

Auch wenn das Land, das übrigens für die Kosten der Notunterbringung aufkommt, in seinem Schreiben „dringend um Unterstützung“ gebeten hat, lässt sich die aktuelle Situation nicht mit den Flüchtlingsströmen der späten 80er und frühen 90er Jahre vergleichen. Zur Erinnerung: In den damaligen Hochzeiten lebten 5000 Menschen in eiligst geschaffenen Notunterkünften, von denen mehr als 30 über die Stadt verteilt wurden.

Das Schulgelände an der Lohstraße sollte nach dem Aus der Pläne für die evangelische Zukunftsschule vermarktet werden, um dort ein ansprechendes Wohngebiet entstehen zu lassen. Daraus wird auf absehbare Zeit erst einmal nichts.