In der Regel müssen Häuser bei einem Autobahnneubau weichen: Nicht so das Weigle-Haus. Kein geringerer als Gustav Heinemann verhinderte den Abriss. Seitdem führt eine elegante Kurve um das evangelische Jugendhaus, dass an diesem Wochenende sein hundertjähriges Bestehen mit einem großen Fest gefeiert hat.
Spielen, Turnen, Bildung für Jungen unter dem Horizont des christlichen Glaubens - so war die für die damaligen Verhältnisse revolutionäre Idee des Gründers Wilhelm Weigle. „Es war einfach ein Ort, in dem man als Jugendlicher ernst genommen wurde“, erinnert sich Hans Huckel. 1936 betrat der heute 86-jährige das erste Mal das Weigle-Haus, war schnell fasziniert vom Gemeinschaftsgefühl aber auch der Möglichkeit, frei denken und sprechen zu können. „Der Widerstand des damaligen Jugendpfarrers Wilhelm Busch gegen die Nazis, die ihn mehrfach festnahmen, aber nicht brechen konnten, hat mich schon sehr beeindruckt und geprägt.“
Die christliche Jugendarbeit war den Nazis ein Dorn im Auge, sie hätten das Haus am liebsten für ihre Hitlerjugend vereinnahmt. „1938 verboten sie unsere Jugendfahrten. Wir hielten uns nicht daran und veranstalteten bis 1943 illegale Freizeiten.“ Zwei Jahre später lagen Essen und das Weigle-Haus in Schutt und Asche. Die ersten Jungen trafen sich nach Kriegsende im Fahrradkeller, „Pfarrer Busch schickte uns raus, damit wir in den Trümmern nach Stühlen suchten“, sagt Erich Keller. Der Familientradition folgend, „mein Vater war Adjutant von Begründer Weigle“, kam Keller ins „WH“. „Erst als Jugendlicher, später dann habe ich Gruppen geleitet.“ Bis heute fühlt er sich dem Haus eng verbunden, denn „das ist ein bedeutender Teil meiner Jugend“.
Wie Erich Keller und Hans Huckel sind viele Ehemalige ins Weigle-Haus gekommen, um zusammen den runden Geburtstag zu feiern. Vieles hat sich verändert, aber der Anspruch, ein offenes Heim für junge Menschen zu sein, ist geblieben. Immer noch setzt man auf die Arbeit und das Engagement Ehrenamtlicher, die zum größten Teil aus der eigenen WH-Jugend stammen. „Jugendarbeit ist sehr anspruchsvoll. Sie darf nicht von oben herab geschehen, sondern sie müssen die Sprache der Jugendlichen treffen“ sagt Ulrich Parzany, ehemaliger Jugendpfarrer des Weigle-Hauses. Und so wird zum Jubiläum nicht nur gebetet, sondern gerappt, getanzt, gerockt bis das Haus bebt. Ganz im Sinne von Pastor Wilhelm Busch. Der schrieb, weil es im Haus meist lebhaft-laut zuging, in großen Lettern an die Wände: „Schrei leise.“