Essen. Schützenvereine leiden unter ihrem schlechten Image: Alkohol, Amokläufer, alte Traditionen. Bundesweit öffneten sie nun ihre Türen, um für sich zu werben. Ein Besuch beim Essener Verein BSV Holsterhausen 1878 soll mit den Vorurteilen aufräumen.

„Gleich hier distanzieren wir uns ausdrücklich von schießwütigen Psychopathen“, steht in großen Buchstaben im Willkommensgruß des Bürgerschützenvereins Essen-Holsterhausen 1878 auf seiner Internetseite. Für den Vorsitzenden Thomas Gohr (47) ist dieser Hinweis wichtig – und er ist wegen Ereignissen der vergangenen Jahre notwendig.

Angefangen im April 2002, als ein ehemaliger Schüler und Mitglied im Schützenverein am Erfurter Gutenberg-Gymnasium Amok lief und 17 Menschen tötete, bis zu den Amokläufen von Emsdetten oder Winnenden – bis heute spüren Schützen- und Schießsportvereine die öffentliche Wirkung dieser Gräueltaten. Dazu gesellen sich Vorurteile über Trinkgelage, ein von vielen als angestaubt empfundenes Brauchtum und das Bild vom Altherren-Sport.

„Wir sprechen nicht von Waffen"

„Wir möchten unseren Sport näherbringen“, erklärt Gohr am Sonntag im Vereinsheim an der Kruppstraße 99. Der BSV macht wie elf weitere Essener Vereine mit beim „Wochenende der Schützenvereine“, das der Deutsche Schützenbund bundesweit initiiert hat – mit Blick auf die Werbung von Neu-Mitgliedern. Luftpistole und Luftgewehr können Besucher an dem kleinen Schießstand unter Aufsicht und Anleitung in die Hand nehmen, die zehn Meter entfernte Papierscheibe samt Zielscheibe anvisieren und abdrücken.

Was auffällt, sind Begrifflichkeiten, auf die die Verantwortlichen Wert legen. „Wir sprechen von Sportgeräten, nicht von Waffen,“ sagt Heinz Peter Heib (50), zweiter Vorsitzender. „Und bei uns herrscht vor und während des Schießens Alkoholverbot“, ergänzt Gohr. Natürlich komme beim Schützenfest Feierfreude zum Ausdruck, aber es störe sich doch auch niemand daran, wenn jedes Wochenende etwa Fußballer nach ihren Spielen Bier trinken. „Die Vorurteile, die es bei den Menschen gibt, können wir relativ schnell ausräumen“, betont der 47-jährige Gohr.

„Viele verwechseln unseren Sport mit Kirmesschießen" 

An diesem Sonntag ist der Großteil des etwa 50 Mitglieder zählenden Vereins auf den Beinen, die Schützen kümmern sich um Besucher und nutzen den Tag der offenen Tür zum Beisammensein. Mit Plakaten, Mundpropaganda und über die Internetseite oder das soziale Netzwerk Facebook habe man für die Aktion geworben, der Zuspruch ist am Vormittag aber noch gering. „Das liegt eher daran, dass wir so nah an der A40 liegen“, sagt Gohr lachend und fährt fort: „Wir sind eigentlich immer recht offen. Freitags beim Training können Interessierte auch vorbeischauen.“ Nachwuchssorgen habe man eigentlich nicht, um zehn Mitglieder sei der Verein zuletzt gewachsen.

„Viele verwechseln unseren Sport mit Kirmesschießen. Hier wird nicht geballert“, betont der Vorsitzende. Das Schießen sei konzentrationsfördernd, erfordere Geduld. Er trage Sorge dafür, dass niemand mit falschen Erwartungen oder blanker Schießwut als Gast im Verein an den Abzug kommt. „Ich trage die Verantwortung und muss denjenigen vor der Aufnahme für den Verband beurteilen“, unterstreicht Gohr. Die Alarmglocken klingeln bei ihm, wenn schon die dritte Frage lautet: „Wann darf ich mir ‘ne Pistole kaufen?“

Aufmerksam hört auch Sebastian zu und nickt. Der 18-Jährige ist einer von Gohrs Schützlingen und seit einem Jahr dabei. Er empfiehlt: „Legt die Vorurteile beiseite und kommt einfach mal gucken, bevor ihr euch eine Meinung bildet.“

Info: Bundesweites Aktionswochenende

Unter dem Motto „Ziel im Visier“ öffneten am Wochenende Schießsportvereine ihre Türen, damit die Bevölkerung sich vor Ort ein eigenes Bild machen konnte. Hintergrund ist dabei auch der Nachwuchsmangel. Der Deutsche Schützenbund möchte bis 2018 die Schützenzahl auf 1,5 Millionen steigern (bisher: 1,4 Mio.). In Essen gibt es rund 3500 Aktive. Neben dem BSV Holsterhausen machten bei der Aktion elf Vereine aus Kray, Heidhausen, Frintrop, Altendorf, Borbeck, Frohnhausen, Dellwig und Bergeborbeck mit.