Essen. . Zum weltweiten Tag des Stocks, bei dem weltweit am 15. Oktober Blinde im Mittelpunkt stehen, gibt Robert Leffler, der sich seit mehr als 30 Jahren für Blinde engagiert, einen Einblick in seine Welt. Der 65-Jährige leidet an „Retinitis pigmentosa“, einer vererbbare Degeneration der Netzhaut, und ist vollkommen erblindet.
Wenn Robert Leffler im Alfried-Krupp-Krankenhaus in Steele den Nikolaus mimt, sehen all die erwartungsfreudigen Kinder zwischen der dicken Zipfelmütze und dem weißen Rauschebart nur die Augen des 65-Jährigen. Dass diese Augen blind sind, ist Generationen von Kindern in den mehr als drei Jahrzehnten, seit Leffler ins rote Kostüm schlüpft, verborgen geblieben.
Alles begann, als er selbst noch ein kleiner Junge war. Mit sechs Jahren, erinnert er sich, fiel etwas vom Tisch. Als er es aufheben wollte, verschwamm sein Blick, er fand den Gegenstand nicht wieder. Wenig später diagnostizierten die Ärzte „Retinitis pigmentosa“, eine vererbbare Degeneration der Netzhaut. In einem schleichenden Prozess wurde seine Sehkraft immer schwächer. „Doch ich hatte immer Hilfe“, sagt der heute komplett erblindete Leffler, der seit mehr als 30 Jahren die in Rüttenscheid beheimatete Blindenvereinigung leitet.
„Mammutgedächtnis“ hilft
Während seiner Jugend in Kray - er begründete u.a. mit seinem Kumpel und heutigem Essener CDU-Chef Franz-Josef Britz 1959 die katholische Jugend - wuchs die Angst, seine Erkrankung könne ihm bei der Suche nach der Frau fürs Leben im Wege stehen. „Obwohl ich mich wegen der schon fortgeschrittenen Nachtblindheit nur mit Mühe an den Straßenlaternen orientieren konnte, habe ich meine Frau damals nach Hause gebracht. Heute sind wir seit 42 Jahren verheiratet“, sagt Leffler und lacht. Sie und ihre drei - zum Glück vollkommen gesunden - Kinder sind es, die ihm durch das Leben helfen. Und das erledigen, was Leffler trotz aller Eigenständigkeit nicht alleine schaffen kann. Einkaufen etwa. „Ein Scanner zu Hause erkennt die Produkte und sagt mir, ob ich eine Dose Tomaten oder Erbsen in der Hand halte“, erklärt Leffler eines seiner vielen Hilfsgeräte. Sein Handgelenk ziert eine sprechende Uhr, dank seines Handys kann er sich orientieren und sich Texte wie etwa Speisekarten vorlesen lassen.
Seine größte Hilfe aber ist das Erinnerungsvermögen des 65-Jährigen, der nach 37 Berufsjahren als Masseur im Alfried-Krupp-Krankenhaus im Juni in Rente ging. „Herr Leffler hat ein Mammutgedächtnis“, sagt Sabine Großmann, Sekretärin im Blindenverein, anerkennend. Telefonnummern merkt er sich sofort, ebenso die Stimmen von Politikern und Schauspielern, die er im Fernsehen hört. „Ich kann nun mal nicht nachschlagen, da muss ich es mir eben merken“, sagt Leffler. Er erkennt Menschen an dem Klang ihres Gangs, riecht Kaffee, lange bevor der erste Tropfen in der Kanne ist, hört Geräusche auch dann, wenn sie schon weit weg sind.
Leffler geht kegeln, engagiert sich bei der Kolpingsfamilie, ist Büttenredner, Vertrauensmann im Blindenverein - und eben ein Mal im Jahr der Nikolaus. Seine Lebensfreude, die er sich trotz der Erkrankung bewahrt hat, ist das eigentliche Wunder, das nicht nur Kinderaugen staunen lässt.
Blindenhilfsverein als zentrale Anlaufstelle für Sehbehinderte
Hilfsmittel, Seelsorge, medizinische Unterstützung: Beim im Karl-Hohlmann-Haus untergebrachten Blindenhilfsverein laufen für Menschen mit Seherkrankungen alle Fäden zusammen. Schon 1906 gegründet, setzt sich der Verein auch im Städtebau ein, wenn es etwa um die Beachtung der Behindertengerechtigkeit geht. 230 Mitglieder kommen regelmäßig in den Räumen zusammen, darunter verschiedene Selbsthilfegruppen.
Prof. Dr. Andreas Scheider, Vorsitzender des Blindenhilfsvereins, und sein Stellvertreter Robert Leffler setzen sich auch für die Vermittlung und Integration in den Arbeitsmarkt ein. „Vor allem für Menschen, die eine Seherkrankung mitten im Leben trifft, müssen wir oft schnelle Lösungen finden“, sagt Leffler. Sie erhalten auch praktische Lebenshilfe, können etwa die Blindenschrift erlernen und bekommen einen Mobilitätstrainer an die Seite gestellt. Der hilft ihnen, Strecken mit dem Langstock zu bewältigen und selbst bei vermeintlich einfachen Tätigkeiten wie Essen: „Blinden muss ein Teller wie eine Uhr erklärt werden. Da liegen die Erbsen dann auf halb sechs“, so Leffler.
Blindenhilfsverein, Rüttenscheider Straße 157, Sprechstunde montags bis freitags von 9.30 bis 12.30 Uhr, mittwochs nach Vereinbarung, weitere Informationen unter Tel.: 0201 77 36 36.