Essen. . Vor allem große Ausbildungsbetriebe verlassen sich oft nicht mehr auf deren Qualität. Im gesamten Bildungssystem besteht Handlungsbedarf. Mit “Dr Azubi“ haben Azubis nun einen Ansprechpartner, an den sie sich mit ihren fragen wenden können.

„Dr. Azubi“ – so nennt der Deutsche Gewerkschaftsbund seinen virtuellen Ratgeber, an den sich Auszubildende mit Fragen und Nöten wenden können. Und eine neue Umfrage unter knapp 3200 Lehrlingen in NRW – rund 400 davon aus Essen – legt nahe, dass es tatsächlich einiges zu heilen gibt im Ausbildungssystem. Insbesondere bei den Berufskollegs sieht man Handlungsbedarf.

„Die Ausstattung ist miserabel und das korreliert mit der Ausbildungsqualität“, sagt Yvonne Fischer, Jugendbildungsreferentin beim DGB in Essen, mit Blick auf die Ergebnisse des „Ausbildungsreports“. Nur 44 Prozent der Befragten fühlen sich durch die Schule „gut“ oder „sehr gut“ auf die theoretische Prüfung vorbereitet. Etwa jeder Fünfte hält die Vorbereitung für ausreichend oder mangelhaft.

Fachlehrermangel

Zu den Kritikpunkten zählt die Technik, hier hinke die Ausstattung der Schulen der sich ständig verändernden Arbeitswelt hinterher, so Yvonne Fischer. „Noch entscheidender aber ist die personelle Ausstattung.“ Zwar sind laut Bezirksregierung derzeit alle 680 Lehrerstellen an den neun Essener Berufskollegs besetzt. Das sei allerdings eine Milchmädchenrechnung, sagt Sabine Flögel von der Fachgruppe Berufskolleg bei der örtlichen Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Die Gesamtzahl an Lehrern mag vorhanden sein, aber in bestimmten Fächern mangelt es, vor allem im technischen Bereich.“

Dass der „zweite Ausbildungsort Berufsschule massiv abgewertet wird“, wie DGB-Expertin Fischer bilanziert, spüren auch die Ausbildungsbetriebe. Ihnen kann nicht gefallen, dass ihre Schützlinge in der Schule mitunter nur unzureichend gerüstet werden für die theoretischen Prüfungen. Diejenigen, die die entsprechenden Mittel haben, steuern gegen. Gerade große Firmen bringen sich an den Berufskollegs massiv ein. Und zur Not wird im eigenen Hause nachgeschult.

Die Zusammenarbeit sei von langjähriger Zusammenarbeit geprägt und werde „kontinuierlich optimiert“, heißt es etwa von der RWE AG. „Sollte die berufsschulische Kenntnisvermittlung Schwachstellen aufweisen, wirkt der Ausbilder darauf ein, diese Defizite zu beheben.“ An einigen Standorten werde der Unterricht in den Betrieb verlegt, „um das vorhandene Know-How der Ausbilder und die aktuellste Technik zu verwenden“.

Info: Ausbildungsreport 2012 

Auch bei ThyssenKrupp und dem mit 1140 Azubis größten Ausbilder im Konzern – ThyssenKrupp Steel – überlässt man nichts dem Zufall. „Wir führen für unsere Auszubildenden parallel zum Berufsschulunterricht gezieltes Technologietraining durch und bieten Seminare an, um sie optimal auf die Prüfungen vorzubereiten.“ Was das originäre Angebot der Berufsschulen angeht, „besteht an manchen Punkten Verbesserungsbedarf, beispielsweise im Hinblick auf Inhalte, individuelle Betreuung der Auszubildenden und Unterrichtsausfall“.

Bei Evonik ist es üblich, Lehrer für Praktika in den Betrieb zu holen. „Praktika für junge Lehrer im Unternehmen sind an den Berufskollegs sehr beliebt“, so Hans Jürgen Metternich, Leiter Ausbildung Nord, der lobende Worte für die Kooperation mit den Schulen findet. Auch beim DGB will man den aktuellen Einwurf nicht falsch verstanden wissen. „Viele Lehrer sind sehr engagiert“, sagt Yvonne Fischer, „es geht uns um strukturelle Veränderungen.“ Schließlich drücken in den Berufsschulen nicht nur die Auszubildenden der „Großen“ die Bank.

Seit fünf Jahren legt die DGB Jugend NRW regelmäßig den „Ausbildungsreport“ vor, der auf einer Umfrage basiert. Darin geht es etwa um Inhalte, Arbeitszeit, Vergütung, Übernahme. Diesmal lag ein Fokus auf den Berufskollegs. Gefragt wurde nach fachlicher Qualität, Ausstattung oder Klassengröße. Hier liegt Essen mit 21 Auszubildenden pro Klasse übrigens im Durchschnitt.