Essen.. Auf der Zielgeraden vor dem Baubeschluss für das neue Hallenbad am Thurmfeld weckt der Arbeitskreis 2030 Zweifel: Wurden das Projekt gezielt schöngerechnet?
Die Warnung vom Beckenrand, sie kommt vermutlich zu spät. Nein, nicht vermutlich, sondern ganz bestimmt. Wochen-, ach was: monatelang war Zeit, diesen Fragenkatalog zu stellen, und selbst dann hätte man Zweifel haben können, ob die Politik nach ihrem zähen Ringen um einen allseits akzeptierten Bäder-Kompromiss bereit ist, die brüchige Abmachung rund um den Neubau eines Hallenbads am Thurmfeld noch mal auf den Prüfstand zu stellen.
Sie sollte es tun, findet der Arbeitskreis Essen 2030, der es sich zum Ziel gesetzt hat, in Fragen von Architektur und Stadtkultur sein Wort zu machen. Und der offenbar das Gefühl nicht los wird, der am Thurmfeld nördlich der Uni geplante Ersatzbau fürs Hauptbad sei mindestens fahrlässig wenn nicht gezielt schöngerechnet worden.
Hier 16,2 Millionen Euro für die marode Schwimmanstalt an der Steeler Straße, dort 9,7 Millionen für einen energetisch optimierten Neubau am Reckhammerweg – kein Wunder, dass die Politik da mit dem Neubaubeschluss schnell bei der Hand war. Dabei seien, so schreiben Johannes von Geymüller, Axel Wiesener und Werner Ruhnau jetzt an die Verwaltungsspitze und die Ratsfraktionen, „ausdrücklich Kosten unberücksichtigt geblieben“.
Damit meinen der Kunsthistoriker, der Ex-Bänker und der Architekt nicht nur den Millionenaufwand, mit dem das Hallenbad am Thurmfeld baureif gemacht werden soll. Auch der Bodenwert sei wohl nicht eingerechnet, der anstehende Abbruch des Hauptbades und genauso die Verlagerung jener Nutzungen, die mit dem Schwimmbad-Betrieb nichts zu tun haben: die Kita und die Wäscherei, die Räume für Sportkegler und Gewichtheber, und nicht zuletzt die Büros des Essener Sportbundes.
Das Areal ist zu klein
Offiziell kleiden die planerisch bewanderten Mitglieder des Arbeitskreises Essen 2030 ihre Skepsis in freundliche Fragen, 13 an der Zahl, dabei wissen sie ganz genau, dass ihr Eintauchen in die Kosten-Argumentation für den Bäder-Neubau die Verantwortlichen gleich an mehreren Stellen ins Schwimmen bringt. Weil niemand bezweifelt, dass die angefragten Kostenkalkulationen größtenteils nicht vorliegen.
Marodes Essener Hauptbad
„Es wird alles verdrängt“, sagt einer, der sich in der Materie auskennt und sich nur wundern kann, wie einerseits dicke Sparpakete geschnürt und andererseits Beschlüsse durchgezogen werden, deren finanzielle Auswirkungen noch in den Sternen stehen.
Ein Grund dafür dürfte sein, dass die Politik das leidige Thema des Dellwiger Freibads „Hesse“ zusammen mit dem Hauptbad-Ersatz vom Tisch haben wollte – und dass der Kostendeckel der Bezirksregierung die schonungslos offene Kalkulation verhinderte. Als zusätzliches Argument gilt die Chance, mit dem Hauptbad auch das gesamte Quartier zwischen Steeler und Varnhorststraße zu entwickeln.
Doch mancher Planer winkt hier kopfschüttelnd ab: Um ein solches Projekt zu einer eigenen Adresse zu machen, sei das Areal zu klein. Und der bauliche Quartiersrahmen wäre mit der Altkatholischen Kirche und dem Katholischen Stadthaus, dem Job-Center (einst Gesundheitsamt) und einem Komplex mit diversen Eigentumswohnungen eh eng gesteckt.
Entscheidung für einen Entwurf
Selbst wenn die Antworten auf die Fragen des Arbeitskreises „Essen 2030“ eine gewisse Sorglosigkeit oder unvollständige Kostenkalkulationen offenbaren – dass die Politik zurückrudert, wagen Kenner der Szene zu bezweifeln: „Wie sollte man das jetzt noch verkaufen?“
Denn schon heute Vormittag fällt die Entscheidung darüber, welcher architektonische Entwurf dem Hallenbad-Neubau am Thurmfeld zugrundegelegt wird. Gleich danach dürfte es Vergabe-Vorentscheidungen geben, schließlich drängt die Zeit: Im September soll der Rat die Baubeschlüsse für den Bäderkompromiss absegnen, vielleicht rollt in „Hesse“ noch dieses Jahr der Bagger.
Wie gesagt: Die Warnung vom Beckenrand, sie kommt zu spät.