Essen. . Für tausende Essener dreht sich die soziale Abwärtsspirale dramatisch schnell: 30 Prozent der Beschäftigten in Essen rutschen nach Verlust des Jobs unmittelbar in die Fürsorge, so der DGB. Für den Gewerkschaftsbund liegen die Gründe dieser prekären Entwicklung auf der Hand.

Für tausende Essener dreht sich die soziale Abwärtsspirale dramatisch schnell: Über 5000 Menschen sind im vergangenen Jahr nach dem Verlust ihres sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatzes direkt in Hart IV gerutscht. „Eine erschreckend hohe Zahl“, sagt Dieter Hillebrand, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Essen: Denn nahezu jeder Dritte, der arbeitslos wurde, hatte mit einem Mal keinen Anspruch mehr auf das aus Sozialbeiträgen finanzierte Arbeitslosengeld I, sondern fiel ungebremst „durch die Maschen des Sozialversicherungssystems“, so Hillebrand, für den die Gründe dieser prekären Entwicklung auf der Hand liegen.

Die Dauer der Beschäftigung vor allem im Gastgewerbe und in der Leiharbeit werde kürzer. Wer in diesen Branchen, aber auch im verarbeitenden Gewerbe, seinen Job verliere, ohne in den zwei Jahren davor nicht mindestens zwölf Monate lang durchgehend Sozialversicherung abgeführt zu haben, hat keinen Anspruch auf das höhere Arbeitslosengeld und rutscht ab in die Fürsorge.

„Die Funktion der Arbeitslosenversicherung hat sich mit den Hartz IV-Gesetzen und der Ausweitung befristeter und prekärer Beschäftigung deutlich verschlechtert“, sagt Hillebrand, der die gestern veröffentlichten Zahlen in diesem Ausmaß so nicht erwartet hatte: „Das hat mich sehr erstaunt.“ Der DGB nehme diese Entwicklung zum Anlass, eine alte Forderung zu erneuern: Für kurzfristig Beschäftigte sollte der Zeitraum, in dem ein Anspruch auf Arbeitslosengeld I erworben werden kann, von zurzeit 24 auf 36 Monate verlängert werden. Im Sinne der Betroffenen, aber auch der Kommune, wie Dieter Hillebrand meint: „Da die Stadt Essen weitgehend die Mietkosten für alle Hartz-IV-Empfänger übernehmen muss, wird sie durch die Lücken im Sozialversicherungssystem und die Politik des Heuern und Feuerns insbesondere in der Leiharbeit belastet.“

81.000 Essener bekommen Transfermittel

In der Tat ist nach einer Statistik der Stadt zuletzt im Mai 2012 der Bestand der Arbeitslosen im Hartz IV-Bezug gegenüber dem Vorjahr um 6,2 Prozent gestiegen. Rund 58.000 Menschen galten zuletzt als „erwerbsfähige Leistungsberechtigte“. Zählt man die Sozialgeldempfänger dazu, sind über 81.000 Essener von Transfermitteln abhängig. Allein für die so genannte Grundsicherung für Arbeitssuchende gibt die Stadt im Jahr über 140 Millionen Euro aus.