PACT Zollverein beendet sein Jubiläums-Jahr mit drei Uraufführungen und drei Deutschlandpremieren. Viele Künstler schätzen die guten Probe-Bedingungen und den direkten Kontakt zum Publikum

Vielleicht ist es das beste Geschenk, das man zum 10. Jubiläum bekommen kann: Die Bestätigung des eigenen künstlerischen Kurses. So registriert Stefan Hilterhaus, künstlerischer Leiter von PACT Zollverein, dieser Tage mit großem Interesse all die Performance-Aktivitäten, die sich in den Museen vom Essener Folkwang bis zur Londoner Tate Modern abspielen. „Man sieht, wie wichtig performative Positionen geworden sind.“ Auf PACT Zollverein, wo dieser Gegenentwurf zum regulären Kunstbetrieb, der direkte Austausch schon seit Jahren mit Erfolg betrieben wird, fühlt man sich deshalb bestätigt und gestärkt für die zweite „Halbzeit“ des Jubiläumsjahres. Drei Uraufführungen und drei Deutschland-Premieren stehen dabei bis Ende des Jahres an. Wie es sich gehört für ein Haus, das sich gleichzeitig als Labor, als Resonanzraum für gesellschaftliche Strömungen, als künstlerisches Kommunikations-Zentrum und Erprobungsort versteht.

Das Land hat die Arbeit zuletzt gewürdigt, indem es seine Förderung um 400 000 Euro auf 1,2 Millionen Euro aufgestockt hat. Mehr noch als diese wichtige Finanzspritze zählt vielleicht der Vertrauens-Vorschuss, den viele Künstler dem Tanzzentrum an der Bullmannaue gewähren. Künstler, die ihre Stücke mitunter seit Jahren in Essen entwickeln, erproben, präsentieren. Mette Ingvarsen gehört zu diesem Stammgästen. Am 2. und 3. November zeigt die Choreografin und Performerin ihr neues Stück „The Artificial Nature Project“ auf Zollverein. Diese Arbeit mit Blitz, Donner und acht Performern ist nicht die einzige, die sich mit Fragen der Umwelt und Naturkatastrophen beschäftigen. So hat der Japaner Toshiki Okada seine neue Performance „Current Location“ unter dem Eindruck der Katastrophe von Fukushima kreiert. Am 19. und 20. Oktober ist dieses Spiel mit Ängsten, Unsicherheiten und Lebens-Umbrüchen der japanischen Jugend zu sehen.

Parcours mit Licht, Neben, Wind und Vibrationen

Umweltthemen im weitesten Sinne beschäftigen auch Andros Zins-Browne, zuletzt von den Impulsen ausgezeichnet, in seiner neuen Arbeit „Welcome to the Jungle“. Für den sinnlich erfahrbaren Publikums-Parcours mit Spiegeln, Licht, Nebel, Wind und Vibrationen, den er am 7./8. Dezember auf Zollverein einrichtet, zeichnet auch ein Parfümeur verantwortlich. Noch mehr gute Laune statt guter Luft verbreitet die skandinavische Kompanie Oblivia. Die Uraufführung von „Museum of Postmodern Art“ am 16./17. November verspricht eine ebenso kluge wie unterhaltsame Auseinandersetzung mit dem Selbstverständnis der Kunstwelt.

In den kommenden Wochen steht das Choreographische Zentrum zunächst ganz im Zeichen der Ruhrtriennale. Den Auftakt der diesjährigen Festival-Kooperation macht an diesem Donnerstag Jérome Bel mit seinem „Disabled Theater“, einer Kooperation mit dem Züricher Behinderten-Theater Hora. Die amerikanische Kompanie „Nature Theater of Oklahoma“ gastiert vom 30. August bis 1. September mit „Life & Times-Episode 2“. Das Ensemble versteht sich darauf, Geschichten des alltäglichen Leben zu großer Show aufzupeppen, mit Anklängen an Musicals, Film und andere theatrale Mittel. Auf der Bühne stehen dabei auch zehn Mitwirkende aus der Region, die für das Gastspiel gecastet wurden. Laurent Chétouane gibt ihn Essen auch so etwas wie ein Heimspiel. Als Choreograph, Regisseur und Ingenieur, der auch mal in Dortmund studiert hat, untersucht er am 27., 28., 29. September die Feinmechanik des menschlichen Zusammenseins und die Ausgrenzung des Fremden in seiner Bearbeitung von „Sacre du Printemps“. Neben Strawinsky kommt dabei auch der Bassist der Band „Selig“ zum Einsatz.