Essen. Mit Tricks beim Goldhandel soll eine Gruppe von Männern rund sechs Millionen Euro an Umsatzsteuern hinterzogen haben. Der Prozess gegen sie vor dem Essener Landgericht ist komplex: 18 Verhandlungstage hat das Gericht angesetzt, um die Machenschaften mit zahlreichen Strohmännern aufzuarbeiten.

Goldankauf ist ein boomender Geschäftszweig, aus den Innenstädten sind die kleinen Läden nicht mehr wegzudenken. Aber offenbar dient der Aufbau zahlreicher Filialen schlicht der Steuerhinterziehung, lässt ein Prozess vor dem Landgericht Essen vermuten.

Sechs Angeklagte, fast alle mit kurdischen Wurzeln, sitzen seit Montag vor der XXI. Strafkammer. Sie sollen von Holland aus ein Filialnetz aufgebaut haben, das seinen Ursprung in der Essener Nordcity nahm und innerhalb von eineinhalb Jahren illegal rund sechs Millionen Euro an Umsatzsteuer ausgezahlt bekam.

Die als Bande angeklagte Organisation nutzt dabei mehrere Feinheiten des Umsatzsteuerrechts aus. Zunächst sammelt sie große Mengen Altgold ein. Dazu dienen die Filialen, die groß Werbung machen, und auch vor dem Ankauf von „Zahngold (auch mit Zähnen)“ nicht zurückschreckt. Rechnungen über den Kauf gibt es meistens nicht.

Laut Anklage unterschlugen die Männer Millionen Euro an Umsatzsteuer 

Das Gold wird eingeschmolzen und an Scheideanstalten verkauft. Dort bekommen die Händler eine Rechnung über den Goldwert, erhöht um die Mehrwertsteuer von 19 Prozent. Diesen Betrag müssten sie eigentlich beim Finanzamt anmelden und die Umsatzsteuer zurückzahlen. Das unterlassen sie aber laut Anklage.

Staatsanwalt Thomas Merz in seiner Anklage: „Wirtschaftliches Ziel der Goldgeschäfte war es nicht, durch den An- und Verkauf Gewinne zu realisieren. Sie hatten es vielmehr auf die lukrative Unterschlagung von Umsatzsteuern abgesehen.“ Stimmen die Vorwürfe der Anklage, dürfte das Wort „lukrativ“ angesichts von sechs Millionen Euro Steuerhinterziehung eine kleine Untertreibung sein.

Eine ganze Gruppe von "Soldaten" als Mittelsmänner

Ermittler sprechen von einer hohen Dunkelziffer in diesem Kriminalitätsfeld. Denn der Zugriff sei wegen der großen Zahl mutmaßlicher Komplizen erschwert. Hauptangeklagter ist in diesem Fall der 44 Jahre alte Mohammed R. aus Almere in den Niederlanden. Er soll eine Gruppe von Mittelsmännern gesteuert haben, die in der Szene „Soldaten“ genannt werden. Meist seien das eher ärmliche Menschen, die durch Verwandtschaft oder kurdische Wurzeln vertrauenswürdig erschienen.

Diese „Soldaten“ meldeten die Ankaufläden an und lieferten das Gold ab, heißt es in der Anklage. Gegenüber den Finanzämtern hätten sie auf Weisung der Chefs falsche Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben und das Gewerbe nach wenigen Wochen oder Monaten wieder abzumelden.

Als getreue Soldaten sollen sie dann dem Befehl gefolgt seien, Deutschland zu verlassen, um die Polizei ins Leere laufen zu lassen. Für das Verfahren hat die XXI. Strafkammer vorläufig 18 Verhandlungstage bis Ende November terminiert.