Essen-Rüttenscheid. . Viele Kindertagesstätten kommen der Betreuungs-Nachfrage kaum nach. Ein Beispiel ist der Awo-Kindergarten im Rüttenscheider Girardethaus: Trotz räumlicher Erweiterung reicht die Kapazität hinten und vorne nicht. Auf 30 Plätze kommen dort zurzeit 296 Anmeldungen.

Zwischen die dicken Aktenordner im Büroschrank von Dorothee Engemann passt kaum noch ein Blatt Papier. Exakt 296 Anmeldungen sind allein für das am Mittwoch startende Kindergartenjahr bei der Leiterin des Awo-Kindergartens im Girardet­haus aufgelaufen. 90 Prozent der Eltern musste die Diplom-Sozialpädagogin eine Absage schicken, die geräumige Kita über den Dächern Rüttenscheids kann nur 30 neue Plätze anbieten. Und das, obwohl am Mittwoch der Umbau für eine neue U3-Gruppe startet, die voraussichtlich ab Oktober Platz für zehn Kinder bietet. Es ist nach Angaben der Jugendhilfeplanung die einzige neue U3-Gruppe, die für das kommende Kindergartenjahr in Rüttenscheid geschaffen wurde. Ein Arzt ist aus den benachbarten Praxisräumen ausgezogen, da ließen sich die Awo-Verantwortlichen nicht zwei Mal bitten. Denn der Bedarf für Kita-Plätze, insbesondere in der frühkindlichen U3-Betreuung, ist riesig.

Viele Faktoren spielen bei der Vergabe der Kita-Plätze eine Rolle

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Eile ist geboten, seit sich die Bundesregierung in den Kopf gesetzt hat, ab dem 1. August 2013 einen Rechtsanspruch geltend zu machen. Die, die es ausbaden müssen, sind Menschen wie Dorothee Engemann und ihre Kollegen. „Wir haben jeden Freitag Anmeldetag. Die Termine sind bis in den November vergeben. Mitunter kommen die Eltern praktisch aus dem Kreißsaal direkt zu uns“, sagt Engemann. Erst vor Kurzem etwa erreichte sie der Brief einer Mutter, die im Oktober Zwillinge erwartet. „Anmelden kann man die Kinder bei uns aber nur ab Geburt“, so die Leiterin.

Weil die Awo-Kita gleichzeitig Familienzentrum ist, haben Engemann und ihr Team den Anspruch, alle Eltern zu beraten. „Wenn es bei uns nicht klappt, vermitteln wir zu anderen Einrichtungen oder geben Auskünfte zu Tagesmüttern“, sagt sie. Mitunter komme es auch vor, dass sie sich im Fall einer Absage Vorwürfe und Beleidigungen gefallen lassen muss. Die Vergabe der Plätze ist dabei ein ausgeklügeltes System, das von vielen Faktoren beeinflusst wird. So sei es etwa wichtig, die Altersstruktur einzuhalten, erklärt Engemann. Wohnortnähe, Geschwisterkinder und auch soziale Komponenten, wie etwa Kinder von Alleinerziehenden, spielten ebenfalls eine wichtige Rolle.

Die Leiterin der Awo-Kita im Girardethaus, Dorothee Engemann. Foto: Ulrich von Born
Die Leiterin der Awo-Kita im Girardethaus, Dorothee Engemann. Foto: Ulrich von Born © WAZ FotoPool

„Rüttenscheid ist durch die vielen Unternehmen vor Ort ein klassisches Zuzugsviertel. Wir haben auch oft Anmeldungen aus Süd- und Ostdeutschland. Diese Familien haben keine Großeltern vor Ort, die im Zweifelsfall einspringen könnten“, erklärt Engemann. Zudem ist Rüttenscheid als Betreuungsort beliebt bei hiesigen Arbeitnehmern - auch, wenn diese mitunter in anderen Stadtteilen oder gar anderen Städten wohnen. Ein Umstand, der die Nachfragesituation zusätzlich verschärft.

Flexible Öffnungszeiten und Urlaubsplanungen

Dabei sieht Diplom-Pädagogin Dorothee Engemann Rüttenscheid durch eine Fülle an konfessionellen, städtischen und privaten Einrichtungen an sich gut aufgestellt. Mit Öffnungszeiten von 7.30 bis 17.30 Uhr und flexiblen Urlaubsplanungen hat sich auch die Awo-Kita an die veränderte Familien- und Berufswelt angepasst. „Wir bieten den Eltern drei Blöcke an, in denen sie Ferien machen können. Dadurch ist hier eine dauerhafte Betreuung gewährleistet. Wir öffnen zum Beispiel auch zwischen Weihnachten und Neujahr“, sagt Engemann.

Mit dem im August 2013 eintretenden Rechtsanspruch, fürchtet sie, könnte sich die Politik genötigt sehen, mehr Kinder unter drei Jahren in eine Gruppe zu stecken, als geplant. „Das ist meine größte Angst, denn damit wäre dem Kindeswohl nicht gedient.“

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