Essen. . Im Laufe der Zeit sind aus den Industriedenkmälern des Ruhrgebiets Museen, Parks, Bühnen und Ateliers geworden. Bei Touren und Besichtigungen bieten sich tiefe Einblicke in eine Region, die in der Industriekultur ihre kulturelle Identität bewahrt. Eine Entdeckungsreise zur Villa Hügel in Essen.

Auch heute noch muss jeder Besucher der Villa Hügel eines der beiden historischen Pförtnerhäuschen passieren, ehe sich die Schranke zu dem ehemaligen Anwesen der Unternehmerfamilie Krupp hebt. Von hier aus führt die gewundene Zufahrt durch einen herrlichen Park direkt zur Villa Hügel.

Der repräsentative Gebäudekomplex liegt malerisch auf den Ruhrhöhen oberhalb des Baldeneysees im Essener Süden und besteht aus einem kleinen und großen Haus. Das bis 1945 als Wohnhaus dienende große Haus wurde 1873 von der Familie Krupp bezogen und präsentiert sich heute im Bauzustand von 1915. Der Park und Teile der Gartenanlagen wurden 1961 grundlegend umgestaltet, einige kleine Gebäude abgerissen. Seit 1986 steht die Villa Hügel unter Denkmalschutz.

Informationen

Villa Hügel: Hügel 1, 45133 Essen, Tel.: 0201.61629–17, Web: www.villahuegel.de

Öffnungszeiten: Historische Wohnräume und Historische Ausstellung Krupp: täglich außer montags 10.00–18.00 Uhr, Hügel-Park: täglich, auch feiertags, 8.00–20.00 Uhr. /// Bei besonderen Anlässen bleibt die Villa Hügel geschlossen. Besuchern wird empfohlen, sich vorab telefonisch zu erkundigen, Tel.: 0201.61629–17.

Führungen: nach Vereinbarung, Tel.: 0201.61629–17, Fax: 0201.61629–11, E-Mail: info@villahuegel.de

Anfahrt: mit dem Auto: A 52 Ausfahrt Essen-Rüttenscheid, Beschilderung folgen /// A 40 Ausfahrt Essen-Zentrum, Beschilderung folgen

Weitere touristische Informationen: Touristikzentrale Essen /// Am Hauptbahnhof 2 /// 45127 Essen /// Tel.: 0201.19433 und 0201.88720–46 (Hotels) Fax: 0201.88720–44 /// E-Mail: touristikzentrale@essen.de /// www.essen-tourismus.de /// Öffnungszeiten: montags bis freitags 9.00–17.30 Uhr, samstags 10.00–13.00 Uhr.

Allein im Haupthaus mit dem verglasten Belvedere verteilen sich auf rund 4.500 Quadratmetern Geschossfläche über 100 Räume, im Stil der Zeit reich mit kassierten Holzdecken, Ölgemälden und gepolsterten Sitzgruppen ausgestattet. Die wichtigsten und größten Räume können heute besichtigt werden.

Die Empfangshalle nächst dem Eingang beeindruckt durch Monumentalität und eine Gemäldesammlung, zu der neben Porträts der Hohenzollern- Kaiser auch Bilder der Familie Krupp gehören. Sie verdeutlichen das Selbstverständnis der wohl bedeutendsten deutschen Industriellen-Dynastie.

Wechselnde Kunstausstellungen

Es folgt die Bibliothek, deren Bücherbestand in den 1960er Jahren zu großen Teilen der Bochumer Ruhr-Universität vermacht wurde. Den künstlerisch größten Wert besitzt die Sammlung mit flämischen Wandteppichen aus der Zeit von 1500 bis 1760, die im neobarocken Gartensaal im Erdgeschoss sowie im Treppenaufgang und in einigen Räumen des ersten Obergeschosses zu sehen sind. Hier kann auch das Musikzimmer und das Arbeitszimmer besichtigt werden. Den wuchtigen Schreibtisch benutzten alle Firmeneigentümer seit Alfred Krupp.

Überwiegend im oberen Stockwerk finden auch die wechselnden Kunstausstellungen der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung statt, die ihren Sitz im Übrigen ebenfalls auf dem Hügel-Gelände hat. Im restaurierten kleinen Haus, einst für Gäste gedacht, wird seit 2007 die historische Ausstellung Krupp gezeigt, eine neu konzipierte Dauerausstellung zur Geschichte von Firma und Familie Krupp.

Vom Fachwerkhaus zur Gründerzeitvilla

Im Jahr 1811 war Essen eine unbedeutende Kleinstadt und wer behauptet hätte, dass sich dies bald durch eine soeben gegründete kleine Gussstahlfabrik ändern würde, wäre ausgelacht worden. Doch aus der unscheinbaren Werkstatt vor den Toren der Stadt wurde innerhalb eines halben Jahrhunderts die Weltfirma Krupp und aus Essen eine Großstadt.

Keimzelle dieser Entwicklung ist ein ärmliches Fachwerkhaus, in dem Firmengründer Friedrich Krupp mit seiner Familie lebte. Sein Sohn Alfred, der Konzernbauer und eigentliche Schöpfer des Unternehmens, nannte es mit untrüglichem Gespür für die effektvolle Selbstinszenierung „Stammhaus“. Als Nachbau ist es bis heute zu besichtigen. Dieses erste bescheidene Haus und die imposante Villa Hügel könnten nicht gegensätzlicher sein und stehen doch in einem inneren Zusammenhang. Beide symbolisieren je auf ihre Weise den Mythos Krupp vom Aufstieg einer Industriellendynastie, der aus kleinsten Anfängen zur Weltgeltung führte.

Wer sich der hoch über dem Ruhrtal gelegenen Villa Hügel ohne Vorkenntnisse nähert, wird es zunächst kaum für das Haus eines Industriellen, sondern eher für das Schloss einer hochadeligen, vielleicht gar königlichen Familie halten. Auch dies ist selbstverständlich beabsichtigt. Alfred Krupp, der mit Königen und Staatsmännern auf gleicher Augenhöhe verkehrte, baute hier von 1870 bis 1873 keinen simplen Wohnsitz. Der geniale Exzentriker schuf sich auf der Höhe seines Daseins gleichsam noch einmal neu. Dies ging nicht ohne Verwerfungen ab, verstand sich Alfred Krupp doch als sein eigener und bester Architekt, der sich rücksichtslos in die Baudetails einmischte.

Mehr Wohnlichkeit und Wärme

Die Folgen: Wegen der riesigen Repräsentationssäle, unpraktischen Zimmerfluchten und der für die damalige Zeit technisch ebenso anspruchsvollen wie anfälligen Klimatechnik war das Wohnen in den ersten Jahrzehnten nicht immer angenehm. Spätere Krupp-Generationen verstanden es, mit aufwändigen Holzvertäfelungen, Kassettendecken und künstlerischen Zutaten mehr Wohnlichkeit und Wärme zu schaffen.

Dennoch: Als die britische Besatzungsmacht, die die Villa Hügel nach dem Zweiten Weltkrieg für Verwaltungszwecke genutzt hatte, das Anwesen schließlich zurückgab, verzichtete die Familie Krupp von Bohlen und Halbach nicht ohne Grund auf einen erneuten Einzug und gab ihr Haus 1953 für Ausstellungen und zur Besichtigung durch die Öffentlichkeit frei. Dabei ist es bis heute geblieben.

Indutriekultur im Ruhrgebiet - Der Mythos Krupp 

Das Ruhrgebiet hat eine ganze Reihe schwerindustrieller Großunternehmen hervorgebracht. Keines aber kann sich mit der Höhe des Ruhms, der Tiefe der Niederlagen und auch dem Glamour messen, der den Namen Krupp bis heute umfängt. Die Geschichte der Essener Traditionsfirma hat alle Zutaten einer Saga: Die Gründung aus kleinsten Anfängen, die schwierige Etablierung, der Aufstieg zum Konzern, der tiefe Fall nach den beiden Weltkriegen und der zweimalige Wiederaufstieg, den kaum jemand so für möglich gehalten hätte.

Die Geschichte der Essener Traditionsfirma hat alle Zutaten einer Saga.
Die Geschichte der Essener Traditionsfirma hat alle Zutaten einer Saga.

Mehr als 180 Jahre war Krupp als eigenständiges Unternehmen stets sehr eng mit der preußisch-deutschen Geschichte verbunden und wurde dafür auch in Mithaftung genommen.

Über fünf Generationen – und damit ungewöhnlich lange – stand die Familie selbst an der Spitze der Firma, Menschen, die oft über erhebliches Charisma verfügten und die zu ihren Glanzzeiten sicher so etwas wie die erste Familie des Ruhrgebiets bildeten. Die Villa Hügel als Wohnhaus und Repräsentationsobjekt symbolisiert dies bis heute. All dies und der einzigartige Qualitäts-Nimbus, der den Krupp- Produkten nachgesagt wurde, hat der Firma zu einem Mythos verholfen, dem man noch heute auf dem Hügel, aber auch an anderen Orten in Essen nachspüren kann.

Tradition der kruppschen Sozialfürsorge

Dutzende von Wohnsiedlungen, Arbeiterwohnheime, Wohnhäuser für die kruppschen Beamten, Kindergärten, Erholungshäuser und das renommierte Alfried Krupp Krankenhaus, heute eines der führenden Krankenhäuser Deutschlands, spiegeln damals wie heute die lange Tradition der kruppschen Sozialfürsorge wider. Mitten in der Stadt Essen lag die „Krupp-Stadt“, das riesige Werksgelände des Unternehmens mit Fabrikanlagen, Versorgungseinrichtungen, Verkehrswegen mit firmeneigenen Werksbahnen und Arbeitersiedlungen. Während der Hochphase der Industrialisierung gab es fast 20 Prozent der Essener Bevölkerung Beschäftigung. Von dem gigantischen Industrieareal ist durch die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges und der anschließenden Demontage allerdings kaum noch etwas erhalten.

Eines der wenigen erhaltenen Zeugnisse ist die 1901 fertiggestellte Halle der 8. Mechanischen Werkstatt. Sie liegt heute wie damals am Rande der Essener Innenstadt, nennt sich „Colosseum“ und dient als Musical-Theater. Eine historische Stahlbrücke aus dem Jahr 1870, früher Teil der Werksbahn, verbindet es mit einem weiteren ausgedienten Werksgebäude, das als Parkhaus für das Möbelhaus Ikea genutzt wird.

Die Brücke war das so genannte „Tor zur Kruppstadt“, die täglich Tausende von Arbeitern auf dem Weg zur Schicht durchschritten. Das dahinter liegende 230 Hektar große Areal wird seit 1995 als „Krupp Gürtel“ zu einem neuen Stadtteil mit einem Nutzungsmix für Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Kultur und Erholung entwickelt.

Die Stadt Essen und die Firma bildeten viele Jahre lang eine untrennbare Einheit. Heute ist die Krupp-Stadt Essen für den weltweit operierenden Konzern, der 1999 mit dem Thyssen-Konzern zur ThyssenKrupp AG fusionierte, zu einem reinen Verwaltungsstandort geworden.