Essen. . Lange Zeit war der Begriff “Facebook“ im Rathaus der Stadt Essen ein Fremdwort. Die Verwaltung arbeite an einem “Social-Media-Konzept“, hieß es. Nachdem die WAZ-Mediengruppe über diese Pläne geschrieben hatte, ist die Seite plötzlich freigeschaltet. Der Startschuss war eigentlich erst für den Herbst geplant.

Da lädt einer unter dem Pseudonym „Peter Maybe“ 6383 virtuelle Freunde für den 29. Juni zur Facebookparty „mit tonnenweise Alkohol, Mädels und Musik“ auf die Werdener Brehminsel, 1300 Nutzer des sozialen Netzwerks Facebook (FB) sagen zu. Und die Stadt Essen steht da, als Zaungast, und kann die große Sause nicht absagen, weil sie kein eigenes FB-Konto hat. So ist es jüngst geschehen; erst ein Mitarbeiter der Verwaltung konnte das Partyverbot über seinen Privataccount „posten“.

So etwas soll nicht noch einmal vorkommen, sind sich im Rathaus alle einig. Und auch darin, dass die Stadt eine Strategie fürs soziale Miteinander im Web benötigt. „Wir arbeiten derzeit daran“, sagt Jeanette Kern, Vize-Pressesprecherin der Stadt, im NRZ-Gespräch. Und stellt zusammen mit ihren Kollegen aus der Onlineredaktion einen ersten Entwurf für die FB-Seite der Stadt vor. Gibt’s längst, man mancher nun meinen. Und hat damit vollkommen Recht. Denn un­ter „Essen“ ist seit dem 24. Februar 2010 eine Seite, die 15.936 Fans (Stand gestern) hat, zu finden.

Verwaltet und gepflegt wird sie jedoch nicht vom Presseamt, sondern von einem Privatmann, der nicht in Essen lebt und arbeitet, sondern in Südafrika. Keine Sorge, er ist Essen nicht böse gesinnt und will keinen Reibach damit machen. Der Mann, der mal in Essen studierte und gewohnt hat, war einfach schneller, zu einer Zeit, als bei der Verwaltung Fa­cebook noch ein Fremdwort war.

München ist kein Vorbild

Von Dauer wird seine FB-Seite aber nicht sein – nicht, weil die Stadt etwas gegen seine Eigeninitiative hätte, sondern Facebook selbst: Denn die weltweiten FB-Regeln schließen Ortsbezeichnungen als Nutzernamen aus. So verschwand die Seite „München“ jüngst über Nacht spurlos aus dem Portal. Mit ihr gingen der Stadt beinahe 400.000 Freunde, Diskussionen der Münchener Community, Kommentare, Links und Fo­tos verloren. Damit so etwas nicht passiert, haben andere Städte vorgesorgt, wie Duisburg. Die Stadt verweist mit ihrer FB-Seite seit kurzem nicht mehr auf „Duisburg“ sondern „Stadt.du“. Das ist an Michael Wolf, Leiter der Online-Redaktion von essen.de, nicht vorbei gegangen.

Gefällt der Stadt: Die Strategie des Menschelns auf der Facebook-Seite der „Zeche Zollverein“. Sie zählt aktuell 4930 Fans, mehr seien „in Arbeit“, so Pressesprecher Nikolaos Georgakis.
Gefällt der Stadt: Die Strategie des Menschelns auf der Facebook-Seite der „Zeche Zollverein“. Sie zählt aktuell 4930 Fans, mehr seien „in Arbeit“, so Pressesprecher Nikolaos Georgakis.

Er und seine Kollegen tüfteln seit November 2011 am „Social-Media-Konzept“ der Stadt, das den eigenen FB-Auftritt beinhaltet. „Die private Essen-Seite zu übernehmen, mit ih­ren rund 16.000 Fans, und sie zur offiziellen zu machen, ist für uns keine Alternative“, betont er. Denn das könnten einige Fans missverstehen. Außerdem würd’s bereits Facebook-Auftritte geben, wie den der Volkshochschule und des Museum Folkwang, an die man anknüpfen wolle. „Dort wurden viele Erfahrungen gemacht, gute wie schlechte, die hilfreich für uns sind“, sagt Wolf. Rund 20 städtische Mitarbeiter, die Facebook schon nutzen, um Infos aus ih­ren Fachbereichen an die Bürger zu bringen, treffen sich heute – um das bloße „Social-Media-Konzept“ mit Ideen und Leben zu füllen. Denn so lautet der Auftrag des Verwaltungsvorstands, der sich Ende April mit Facebook und Co. beschäftigt hat.

Kreativität, wie bei der „Zeche Zollverein“, ist ebenfalls bei der Stadt gefragt. Denn ein Quietscheentchen inmitten vieler bunten Gefährten beschert Kommentare und viele Fans.
Kreativität, wie bei der „Zeche Zollverein“, ist ebenfalls bei der Stadt gefragt. Denn ein Quietscheentchen inmitten vieler bunten Gefährten beschert Kommentare und viele Fans.

Einer, der sich früh ans Presseamt gewendet hat, sind Kerns Kollegen vom Grugapark: „Seine Seite ist un­sere Referenz. Ihre Entstehung haben wir begleitet.“ Einfach losmarschieren und „irgendwie machen“, sei nicht mehr drin. „Es gibt eine Anweisung die besagt, dass niemand mehr ohne das Presseamt tätig werden darf“, so Kern. Schließlich sei es wichtig, dass, wenn schon etwas auf FB angeboten würde, dies nachhaltig sei und nicht am Ende aus Personalmangel einschlafen würde.

Antworten auf Kritik, Lob und Fragen

„Wir wollen die Bürger einbinden, sie kommentieren und eigene Beiträge schreiben lassen“, sagt Stefan Schulz aus der Online-Redaktion. Sie sollen Antworten auf Kritik, Lob und Fragen erhalten, sichtbar für alle Nutzer. „Das ist für uns Neuland, aber wir wollen uns den Bürgern öffnen und mit ihnen in einen Dialog treten“, sagt Kern. Zusätzliches Personal für die Pflege des Accounts würde es jedoch nicht geben. Im Herbst, spätestens zum Jahresende soll der Startschuss fürs „Stadtportal Essen“, so der Arbeitstitel, fallen. Diesen Namen hat sich aber auch schon ein anderer Nutzer gesichert, Ende Juni. Die Stadt habe bereits im Mai ihr Interesse am Namen bei FB bekundet. „Doch das ist ja erst mal nur ein Arbeitstitel, noch nichts fixes“, betont Michael Wolf.

Städtische Töchter auf „Facebook“

1952 „Gefällt mir“-Angaben, 153 sprechen darüber, 119 waren schon mal dort, lautet die Bilanz der „Essener Verkehrs-AG (EVAG)“ bei Facebook (FB). Die Evag informiert dort über Störungen, geht auf Kritik ein und menschelt mit seinem Maskottchen „Alfred“. Viel los ist auf der „EMG - Essen Marketing GmbH“-Seite nicht. Der letzte Eintrag datiert vom 20. Juni; nur 28 Menschen gefällt die EMG.

Der „Grugapark Essen“ setzt bei Facebook auf Kinderlachen und zeigt historische Bilder – etwa von der Grugabahn und Pinguinen im Park. Auch Pflanzen werden im Netz vorgestellt.
Der „Grugapark Essen“ setzt bei Facebook auf Kinderlachen und zeigt historische Bilder – etwa von der Grugabahn und Pinguinen im Park. Auch Pflanzen werden im Netz vorgestellt.

Anders die „Volkshochschule Essen / VHS Essen“. 670 waren laut FB schon mal dort, 363 „Gefällt mir“- Angaben verzeichnet die Seite, die neben Aktuellem aus dem Programm Allgemeines aus der (Weiter-)Bildung bietet. Gegründet 1855, FB beigetreten am 28. Januar 2010, hat „Stadtwerke Essen AG“ wenig bei FB zu bieten – keine Einträge und Infos, dafür 42 „Gefällt mir“-Angaben. Die FB-Seite habe man einzig zur Namenssicherung registriert.

Die Stadt Essen reagiert auf Berichterstattung

Nach der Berichterstattung in der NRZ reagierte die Stadt Essen prompt und schaltete seinen Facebook-Account umgehend scharf. Seit Mittwochnachmittag ist das Rathaus nun auf der weltweiten Social-Media-Plattform Facebook erreichbar. Die Seite finden Nutzer ab sofort hier.