Essen. .

Mit dem Papilio-Projekt lernen Kindersoziale und emotionale Kompetenz

Gefühle sind nie besonders einfach zu erklären. Auch für die vier kleinen Kobolde Heulibold, Zornibold, Freudibold und Bibberbold nicht, die auf der Bühne des Katholischen Berufskollegs in Werden stehen und entsprechende Gesichter ziehen. Sie wissen nicht, was sie da tun und auch nicht, wie sie es der Gruppe Kindergartenkindern vor ihnen erklären sollen. Aber Paula weiß es. Und so erklärt sie, dass man Gefühle bei anderen Menschen erkennen und auch mit ihnen umgehen kann.

Paula ist ein fünfjähriges Kindergartenkind und hängt genauso am Faden der Puppenspieler wie die vier gefühlsverwirrten Knirpse. Das Marionetten-Stück „Paula und die Kistenkobolde“ hat die Augsburger Puppenkiste konzipiert und ist einer von insgesamt drei Bausteinen des Projektes „Papilio“, das Kindergartenkindern spielerisch emotional-soziale Kompetenzen beibringen möchte. Das Ziel: Die Kinder schon in jüngsten Jahren so zu stärken, dass sie im Laufe ihres Lebens nicht in eine Spirale von Sucht und Gewalt geraten.

„Es war sehr nötig“

Der Zusammenhang zwischen jugendlichem Frust und Gewalt oder Drogenkonsum ist weithin bekannt. Damit es erst gar nicht dazu kommt, die Kinder ihre eigene Wut, Trauer oder Angst einordnen können und die nötige Empathie entwickeln, um anderen zu helfen, gibt es dieses Projekt. „Papilio setzt an den sozialen Kompetenzen an, die viele Jugendliche nicht haben und gerade deshalb in die Sucht- und Gewaltspirale abrutschen“, sagt die Sozialpädagogin und Projekt-Trainerin Diane Marike Amend.

Seit 2006 wird das in Augsburg entwickelte und in Teilen von der Stiftung Wohlfahrtspflege geförderte Programm in NRW umgesetzt. Insgesamt 27 Kitas nehmen in Essen teil, davon sind acht Tagesstätten seit 2010 Teil eines Modellprojektes, das sich speziell auf die Bedürfnisse in strukturschwachen Stadtteilen einstellt. Ein Projekt, das sich laut Beteiligten lohnt: „Es war sehr nötig, weil Kinder ihre Gefühle nicht mehr so gut beschreiben können“, sagt die Leiterin der Katholischen Kindertagesstätte St. Joseph in Katernberg, Gabi Hackmann.

Bei der so wichtigen Gefühlsanerkennung hilft eben jene Geschichte von Paula und den Kobolden, die die Erzieherinnen regelmäßig in ihren Kitagruppen vorlesen und vier Puppenspieler der Augsburger Puppenkiste gestern zur Freude von insgesamt 300 Kindern in Werden drei Vorstellungen auf die Bühne brachten. „Jeder der Kobolde steht für eines unserer Basisgefühle“, erklärt Diane Marike Amend, die die Erzieherinnen in den acht speziellen Kindertagesstätten ausbildet, das Papilio-Projekt umzusetzen. „Alle Gefühle zu erkennen, angemessen zu leben und als natürlich und gleichwertig zu betrachten, ist wichtig für die kindliche Entwicklung.“

Nicht hinter Bauklötzen verstecken

Ihre Gefühle angemessen zu leben, lernen die Kinder dann in den Bausteinen zwei und drei: „Einmal in der Woche ist in den Gruppen ein ,Spielzeug macht Ferien-Tag’“, erklärt Diane Marike Amend. Dadurch lernten die Kinder miteinander zu interagieren „und sich nicht hinter ihrem Spielzeug zu verstecken“. Baustein drei greift das Gemeinsamkeitsgefühl auf: Bei dem Spiel mit dem etwas kryptischen Namen „Meins-deinsdeins-unser“ lernten die Mädchen und Jungen dann, sich gegenseitig zu unterstützen und bestimmte Ziele gemeinsam zu erreichen.

Das Papilio-Projekt läuft noch bis September 2013 weiter. Danach soll aber nicht Schluss ein. Im Gegenteil. Vielmehr soll Papilio mit Paula und den vier Kobolden schleichend in den Kindergartenalltag hineinwachsen und Mädchen und Jungen dauerhaft dabei helfen, ihre Gefühle zu verstehen. Ein Projekt für Grundschüler ist außerdem in Planung.

Das Papilio-projekt

Seinen Ursprung hat das Papilio-Projekt in Augsburg. Im Rahmen einer Studie mit 100 Erziehern, 700 Kindern und 1200 Eltern über einen Zeitraum von insgesamt drei Jahren wurde der Erfolg des Konzeptes in Bayern nachgewiesen. An manchen Kindergärten ist dort das Projekt bereits seit 2004 im Einsatz. In NRW läuft das Programm seit 2006, unterstützt von der Barmer GEK. 42 ausgebildete Papilio-Trainer haben bislang 1600 Erzieherinnen in NRW ausgebildet, 65 davon in Essen. Rund 1300 Kinder haben in der Stadt schon teilgenommen. Das Modellprojekt in sozial benachteiligten Stadtteilen fördert die Stiftung Wohlfahrtspflege NRW mit insgesamt 1,2 Millionen Euro, unter anderem profitieren Kitas in Borbeck, Katernberg und Kray. Unter anderem versuchen Trainer und Erzieher, bei bestimmten Problemen gegenzusteuern, organisieren zum Beispiel Übersetzer. Das Sonderprojekt wird wissenschaftlich von Professor Herbert Scheithauer von der Freien Universität Berlin begleitet. Papilio-Schirmherr ist Journalist und Buchautor Ulrich Wickert