Blink 182-Konzert in Essener Grugahalle als Nostalgietrip
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Essen. . Tja, Grugahalle, da bin ich wieder. Das war - nach dem Rockpalast-Aus vor gefühlten 20 Jahren - eine lange Pause. Heute begleite ich zwei 14-Jährige zu ihrem ersten Konzert. Mit einem Jahr Verspätung stehen Blink 182 auf der Bühne, die zur Verstärkung The All-American Rejects und Royal Republic dabei haben.
Scheppernd rollt eine Bierdose übers Pflaster. Als sie liegen bleibt, hechten Pfandsammler hinterher. So geht Konzert im Zeitalter des Dosenpfands: Am Grugahallen-Einlass verkauft ein fliegender Bier-Händler gut vorgekühlte Pils-Dosen aus dem Pappkarton, derweil einen halben Meter tiefer Pfandsammler die Alu-Überreste in blaue Säcke stopfen. Vorglühen für die Punk-Rocker von Blink 182, die mit einem Jahr Verspätung auf der Essener Bühne stehen, weil‘s mit dem neuen Album nicht so lief wie geplant.
Tja, Grugahalle, da bin ich wieder. Das war - nach dem Rockpalast-Aus vor gefühlten 20 Jahren - eine lange Pause. Heute begleite ich zwei 14-Jährige zu ihrem ersten Konzert. Doch zunächst stehe ich ein bisschen unter Schock. Das Durchschnittsalter liegt bei 23, die anwesenden Begleit-Muttis mal nicht mitgerechnet. Ein kleiner Becher Cola kostet 2,50 Euro. Ein Band-T-Shirt ab 20 Euro aufwärts - dem Nostalgie-Trip geschuldet sei gesagt: Das waren mal 40 Mark!
Aufwärmen mit Royal Republic
So rechnet heute natürlich kein Mensch mehr, zumal sich der Großteil der 10.000 Zuschauer wohl kaum noch an die so gern so wortreich glorifizierte „harte Währung“ erinnert. Treppen rauf, Musik an: Die dänische Rock-Band „Royal Republic“ macht den Anheizer für Blink 182. Das geht gut los. Die Stimmung steigt und zum laut und druckvoll gespielten „Underwear“ bebt endlich wieder der Hallenboden unter tausenden hüpfenden Füßen. Gut, früher sah ich das unbeschwerter, da hab‘ ich nicht sekündlich damit gerechnet, durch den Boden ins Foyer zu krachen. Im (mittleren!) Alter wird man eben doch zum Bedenkenträger. Ich versage mir, so schön und schräg wie im Auto zu „Tommy-Gun“ mitzuschmettern. Ein bisschen schmunzle ich über die neue Mode, mit Ohrstöpseln zum Konzert zu gehen. Das mag klug sein, aber ich gehe ja auch nicht mit Augenbinde ins Kino. Dann räumt die dänische Kapelle leider (!) die Bühne.
Umbau, Zeit, sich ein wenig umzusehen, oder besser gesagt: zu staunen. Wieso legen sich all die jungen Leute schon mit 20 darauf fest, was noch mit 60 unter ihre Haut geschrieben stehen soll? Wann hat es angefangen - jetzt mal abgesehen von unentdeckten Naturvölkern am hinteren Amazonas - dass man Ohrlöcher auf 20 und mehr Millimeter dehnte? Da kann man durchgucken. Wenn man gut zielt auch was durchwerfen. Aber wie sieht das aus, wenn „Opa Marvin“ über dem T-Shirt-Kragen mit „Love-Machine“ beschriftet ist und die ausgeleierten Ohrläppchen dabei bis auf die Schultern hängen. Früher war das - glaub ich - leichter. Keine 80er-Modesünde, die man mit einer Fünf-Minuten-Dusche nicht ausmerzen konnte.
Kurzer Soundcheck. Gerade so lang wie es braucht, über die Treppen wieder in die Halle zu kommen. „The All-American Rejects“ spielen. Bekannt sind sie durch den Hit „I wanna“ und das Gerücht, sie stünden kurz vor dem ganz großen Durchbruch. Letzteres hält sich seit 14 Jahren. Die 14-Jährigen sind ernüchtert und wollen nicht mal so tun, als würden sie sich amüsieren, können nicht mitsingen, mögen nicht als einzige im Saal, der sich zusehends leert, hüpfen. Fraglich, ob das Line up gut gewählt ist. Royal Republic haben die Menge zum Kochen gebracht, die Rejects nehmen wieder Fahrt raus.
Treppen runter, raus in den umzäunten Bereich. Draußen patrouillieren abholbereite Mütter, um ihre Kinder einzusammeln - dabei hat das Konzert noch gar nicht richtig begonnen. Der nette Security-Mann schüttelt den Kopf: „Die spielen doch bis elf.“ Jetzt ist es 21.20 Uhr und Travis Barker sitzt endlich hinterm Schlagzeug. Ja, dafür hat sich die Akustik-Sanierung der Grugahalle gelohnt. Zu „What‘s my age again“ singt die Halle mit, zu „Down“ wird gepogt und auch die neuen Stücke wie „Up all night“, die nach kurzfristiger Trennung der Band und einem leichten Richtungswechsel eher Alternative denn Punk-Rock sind, sorgen für Stimmung. Die Temperatur in der Halle geht um gefühlte fünf Grad nach oben, die Menge hüpft und drängelt. Als wäre ich nie weg gewesen. Die drei jungen Australier, die während ihres Deutschland-Trips extra nach Essen gekommen sind, weil Blink hier Station machen, scheinen im siebten Himmel. Ein bisschen pogen, dazu Bier, das sie in Wannen mit 12 Plastikbechern ranschleppen.
Nur eine magere Zugabe
Die 14-jährigen Mädels hüpfen was das Zeug hält, die Arme in die Höhe gestreckt und mit sehr gut durchbluteten Gesichtern. Nett, wie sich alles wiederholt. Nur dass die jungen Damen morgen taufrisch aus dem Bett steigen werden, während ich mutmaßlich drei Tage brauchen werde, um mich zu erholen.
Vor den großen Monitoren, über die während des ganzen Konzerts Nahaufnahmen von Gitarrist Tom DeLonge, Schlagzeuger Travis Barker und Bassist Mark Hoppus geflimmert sind, regnen Papier-Schnipsel von der Hallendecke. Das deutet aufs Ende hin. Was schade ist. Die Halle rockt noch, der Boden vibriert, junge Mädchen nahe dem Kreislauf-Zusammenbruch werden über die Wellenbrecher-Gitter gezogen. Eine magere Zugabe gibt das US-Trio. Abgang, dann fangen die Rowdies mit dem Abbau an.
Am Ausgang warten jetzt zahlreiche Eltern und eigentlich bin ich froh, dabei gewesen zu sein. Von der Frage ,Wollen Sie rein, oder holen Sie nur ein Kind ab‘ hätte ich mich so schnell nicht erholt. Nachdenklich schlendere ich zum Parkplatz. Schnell gehen geht in der Masse auch nicht. Gegen Bierdosen trete ich jetzt nicht mehr, die sind alle weggesammelt. Schön war‘s. Schade, dass Rock-Konzerte in der Grugahalle die Ausnahme geworden sind. Bülent Ceylan kommt, ein weiteres Plakat wirbt für „Olaf“, der nach den Flippers seine erste Solo-Tournee spielt. Hat auch seine Berechtigung und wird sicherlich ganz gesittet bejubelt. Aber ein bisschen mehr Leben würde man der Halle ja doch wünschen.
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