Essen. . Ein ganzes Jahr lang suchte die Weiße Flotte Baldeney einen Auszubildenden, der Binnenschiffer werden will. Vergebens: die städtische Tochtergesellschaft wird die Stelle nun nicht mehr ausschreiben.

Nein, so Typen wie Klaus Thiet fallen nicht vom Himmel. Solche, die mit Ruhrwasser getauft sind und sich nicht gleich in den sicheren Hafen retten, wenn’s mal stürmisch wird. 27 Jahre lang war der gebürtige Essener Schiffsführer bei der Weißen Flotte. Nun, mit 60 Jahren, geht er von Bord und verabschiedet sich in den Vorruhestand. Sein Chef, Franz-Josef Ewers, wird ihm mehr als nur eine Träne nachweinen. Dass Thiet der Crew als 400-Euro-Kraft erhalten bleibt, ist nur ein schwacher Trost.

Nur zu gerne hätte der Geschäftsführer einen jungen, hoffnungsvollen Anwärter aufs „Kapitänspatent“ an Bord genommen; es wäre der erste Auszubildende in der fast 80-jährigen Geschichte der Weißen Flotte. Denn die zwölfköpfige Mannschaft könnte eine Auffrischung gut gebrauchen. Nur: Es fand sich niemand, der anheuern wollte, um sich drei Jahre lang zum Binnenschiffer schulen zu lassen. Bei der Suche nach einem geeigneten Auszubildenden, erlitt die Weiße Flotte Schiffbruch. Enttäuscht winkt Ewers ab. Nein, die Stelle wird er nicht noch einmal ausschreiben.

Dabei wollten sie im Hafen am Hardenbergufer doch einem jungen Berufseinsteiger eine Chance geben. Einem Schulabgänger, der die Grundrechenarten beherrscht, der sich auszudrücken weiß in Wort und Schrift und der ein freundliches Benehmen an den Tag legt. Ein Hauptschulabschluss hätte genügt.

Blaumann und Sicherheitsschuhe mit Stahlkappe

Nicht, dass es keine Bewerber gegeben hätte. Schließlich lockt eine Ausbildungsvergütung von 850 Euro und nach erfolgreich abgelegter Prüfung zum Matrosen eine Festanstellung mit der Aussicht zwei Jahre später das Patent als Schiffsführer zu erwerben. 2200 Euro brutto plus Zulagen kann ein „Kapitän“ im Monat nach Hause bringen.

Aus 15 Bewerbern wählte Ewers einen Matrosenanwärter aus. „Der war eine Woche hier“ - um festzustellen, dass der Beruf des Binnenschiffers doch nicht das Richtige für ihn sei. Fünf weitere Bewerber kamen nach einem Praktikum an Bord zu dem gleichen Schluss. Offenbar hatten sie falsche Vorstellungen von dem, was sie erwarten würde: ein bisschen Schifffahren im weißen Hemd und blauer Tuchhose? Nichts da! Zur Arbeitskleidung gehören auch Blaumann und Sicherheitsschuhe mit Stahlkappe. Schleifen, putzen, scheuern und am Dieselmotor herumschrauben sind Teil der Ausbildung. „Wer hier arbeitet, hat ölige Finger“, sagt Ewers - und darf Überstunden und Wochenenddienste während der Saison nicht scheuen. „Wenn andere feiern, müssen wir arbeiten.“

Bus- und Straßenbahnfahrer anwerben

Ewers mag gar nicht verurteilen, dass dies nicht jedermanns Sache ist. Jugendliche hätten das gute Recht sich neu zu orientieren, um ihren eigenen Weg zu finden. Dass sich aber trotz der Arbeitslosenzahlen kein „Leichtmatrose“ fand, wundert ihn dann doch. Um seine Mannschaft aufzufüllen, greift der Geschäftsführer auf ein bewährtes Patent zurück: Ewers will unter Bus- und Straßenbahnfahrern werben, die in der Sommersaison, als Bootsmann anheuern könnten.

So rekrutierte die Weiße Flotte schon ihre Besatzung, als sie noch unter der Flagge der Evag über Ruhr und Baldeneysee schipperte. Nach fünf Jahren könnte der Bootsmann sein Patent als Schiffsführer ablegen. Ewers weiß auch: So mancher potenzielle Kandidat zieht trotz Schichtdienst geregelte Arbeitszeiten vor. So bleibt die stille Hoffnung: „Vielleicht fällt ja doch noch einer vom Himmel.“

Einer wie Klaus Thiet.